Gleichbehandlungsgrundsatz und Inflationsausgleichsprämie (IAP).

 Warum der Gleichbehandlungsgrundsatz bei Inflationsausgleichsprämien zum Problem werden kann.

Gleichbehandlungsgrundsatz und Inflationsausgleichsprämie (IAP).

Inflationsausgleichsprämien sind für Arbeitnehmer in finanziell angespannten Zeiten eine gewisse Entlastung. Für Arbeitgeber kann die Prämie allerdings als Schuss nach hinten losgehen, wenn sie bei der Gestaltung den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen.

Inflationsausgleichsprämie & Gleichbehandlungsgrundsatz

Seit Herbst 2022 – und bis Ende 2024 – können Arbeitgeber Beschäftigten eine steuer- und sozialabgabenfreie Inflationsausgleichsprämie (IAP) in Höhe von maximal 3.000 Euro zukommen lassen.

Zunehmend wichtig ist allerdings – das zeigen Klagen der letzten Monate –, dass Arbeitgeber bei der Gestaltung der Prämie den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten müssen.

Der besagt: Arbeitgeber dürfen bei begünstigenden Maßnahmen gegenüber den Beschäftigten einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich schlechter behandeln als andere, vergleichbare Beschäftigte (vgl. BAG, Urteil v. 21.09.2011, Az.: 5 AZR 520/10). Gleichzeitig untersagt der Grundsatz sachfremde Gruppenbildung bei begünstigenden Maßnahmen.

Eine willkürliche Ungleichbehandlung ist damit unzulässig, eine Ungleichbehandlung mit sachlichem Grund möglich.

Vor Gericht: unterschiedliche Prämien für unterschiedliche Gruppen

Werden Arbeitnehmer bei der Auszahlung einer IAP unterschiedlich behandelt, riskieren Arbeitgeber Zahlungsklagen auf Gleichbehandlung. So auch im Fall einer Frau, die ihren Arbeitgeber auf Zahlung der maximal möglichen Inflationsausgleichsprämie verklagte. Der hatte die Prämie mit Beträgen zwischen 200 und 1.000 Euro definiert, gestaffelt u. a. nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, Verdiensthöhe und Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung.

Da sie in Teilzeit angestellt war, erst kurz für das Unternehmen arbeitete und weniger als 2.700 Euro brutto verdiente, erhielt sie auf Grundlage der internen Regelung die Minimal-Prämie.

Klage auf maximale Prämie

Darin sah sie eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes: Die Gruppenbildung durch den Arbeitgeber sei nicht nachvollziehbar, es gebe dafür keine zulässigen sachlichen Kriterien. Außerdem würden die Kriterien in Einzelfällen zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen führen. Sie habe deswegen Anspruch auf die maximal mögliche Prämie.

Der Arbeitgeber sah das anders: Die Frau vergleiche sich mit Kollegen, mit denen sie sich nicht vergleichen könne, z. B. im Hinblick auf Dauer der Betriebszugehörigkeit und Gehalt. Die Prämien seien anhand definierter Gruppen gezahlt worden, auch wenn es Ausnahmen z. B. wegen herausragender Leitungsfunktionen gegeben habe.

Man habe nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip gehandelt und nicht willkürlich Personen schlechter gestellt.

Das Urteil

Die Mitarbeiterin bekam Recht, der Arbeitgeber musste 800 Euro Prämie nachzahlen. Nach Ansicht des Gerichts war die Ungleichbehandlung zwischen den Mitarbeitergruppen sachlich nicht gerechtfertigt.

Grundsätzlich sei eine Gruppenbildung nach sachlichen Kriterien möglich, auch die Honorierung von Betriebstreue sei in Ordnung.

Allerdings müsse die unterschiedliche Behandlung einem legitimen Zweck dienen. Gerade den sah das Gericht allerdings nicht. Die Gruppenbildung sei v. a. im Sinne einer materiellen Gerechtigkeit nicht sachgerecht gewesen: Zweck der Prämie sei die finanzielle Entlastung der Mitarbeitenden und die Bevorzugung von Besserverdienenden laufe dem Sozialzweck der IAP zuwider. Deswegen sei die Kopplung der Prämienhöhe – mehr Prämie bei mehr Verdienst und längerer Betriebszugehörigkeit – an das Gehalt problematisch. Immerhin würden Geringverdiener von der Inflation besonders hart getroffen.

Außerdem sei bereits die Ungleichbehandlung von Teil- und Vollzeitkräften – wie geschehen – eine unzulässige Unsachlichkeit. Nicht zuletzt sei die Einteilung der Gruppen in sich unstimmig und würde u. a. für bestimmte Arbeitnehmergruppen gar keine Regelungen enthalten.

All das zusammengenommen, habe der Arbeitgeber Differenzierungen ohne ausreichend dargelegte Gründe vorgenommen: Differenzierungen, die außerdem zweckwidrig seien und zu materiell ungerechten Ergebnissen führten.

Wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hatte die Mitarbeiterin Anspruch auf Gleichbehandlung und damit Anspruch auf Angleichung nach oben, hier auf den maximalen Prämienbetrag. (Arbeitsgericht Hagen, Az.: 3 Ca 588/23)

Das Wichtigste kurz zusammengefasst:

  • Bei der Gestaltung von Regelungen zur Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie ist der allgemeine Gleichheitsgrundsatz zu beachten.
  • Beschäftigte müssen deswegen gleichbehandelt werden, Ausnahmen sind nur mit sachlichem Grund möglich. Betriebszugehörigkeit, Vergütungshöhe, Voll- oder Teilzeit ergeben für sich betrachtet keine sachlichen Kriterien für eine Differenzierung.
  • Arbeitgeber sollten aufgrund der derzeitigen Unsicherheit in der Rechtsprechung Prämien unterschiedslos an alle Mitarbeitenden in gleicher Höhe zahlen oder auf die Prämie verzichten – sonst drohen Zahlungsklagen.