Das Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators.

 Zur Befreiung der Mediatoren von der Verschwiegenheitspflicht – oder: Wen schützt die Verschwiegenheitsklausel in der Mediationsvereinbarung?

Das Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators, Insight von Dr. Sabine Renken, Rechtsanwältin bei Buse

Wenn die Verschwiegenheitsklausel in einer Mediantenvereinbarung nach Beendigung der Mediation von den Parteien einvernehmlich aufgehoben wird, hat der Mediator kein Zeugnisverweigerungsrecht. Das offenbart eine Rechtslücke.

Dieser sehr ungewöhnliche Fall, so passiert im Umfeld des MKBauImm Mediation und Konfliktmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft e.V., zeigt, dass es mit der Verschwiegenheitspflicht in der Mediation so einfach nicht ist.

In einem Mediationsverfahrens zwischen einer Baufirma und einem Generalunternehmer um restlichen Werklohn in sechsstelliger Höhe und die Rückgabe einer Bürgschaft wurde zwischen den Parteien und dem Mediator eine Verschwiegenheitsklausel vereinbart.

Die Parteien einigten sich auch zunächst, Parteien und Anwälte hatten sich in der Mediation sehr zielstrebig verhalten, aktiv an einer Lösung gearbeitet und diese auch gefunden. Eine Mediationsvereinbarung wurde rechtsverbindlich unterzeichnet.

Doch dann bezahlte der Generalunternehmer weder die Rechnung des Anwaltsmediators noch den nach der Mediationsvereinbarung sofort fälligen Werklohn. Die Parteien zogen vor Gericht, wo die beiden Mediatoren als Zeugen geladen wurden. Der Anwaltsmediator wies den Richter unter Berufung auf die dem Mediatorenvertrag zugrunde liegende Mediationsordnung des MKBauImm e.V. sowie § 383 Abs. I Nr.6 und Abs. III ZPO auf seine Verschwiegenheitsverpflichtung hin und berief sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Mit Hinweis darauf, dass beide Parteien des Prozesses die Mediatoren von ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden hätten – was außerordentlich selten vorkommt, weil die Parteien in der Regel großen Wert auf die Vertraulichkeit legen – verfügte das Landgericht München den Weiterbestand der Zeugenladung und verlangte das Erscheinen der Mediatoren zum Termin.

Das wirft die Frage auf, wen oder was die Vertraulichkeitsvereinbarung eigentlich schützen soll. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob diese Vereinbarung, zumindest in erster Linie, dem Schutz der Parteien in der Mediation dienen soll. Die Vertraulichkeit und das sich daraus ergebende Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators sind ja mit Recht viel gepriesene Vorteile der Mediation. Und natürlich ist es – aus der Perspektive eines Richters – kein Problem, den Mediator als Zeugen zu laden, wenn die Parteien ihn von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden haben: Nach § 385 Abs. II ZPO entfällt dann das Zeugnisverweigerungsrecht.

Allerdings soll eine solche Klausel auch dem Schutz des Mediators, vor allem aber dem der Mediation selbst dienen. Denn der angstfreie Raum in der Mediation, welcher die Parteien davor schützt, dass eben vertrauliche Informationen hinterher – von wem auch immer – gegen sie verwendet werden, ist einer der essentiellen Grundsätze für eine erfolgversprechende Mediation. Ohne diesen geschützten Raum ist es schwer bis unmöglich, die hinter den Positionen oft gut verdeckten eigentlichen Interessen offenzulegen und entsprechende Zugeständnisse zu machen. Wenn die Parteien befürchten müssen, dass der Mediator dazu hinterher vernommen wird, könnte es sein, dass sich dieser Raum gar nicht erst öffnet – und das boykottiert jedes mediative Verfahren.

Nach dem Prinzip der Selbstbestimmtheit vereinbaren die Medianten auch sie selbst betreffende Verschwiegenheitspflichten und personen-, verfahrens- oder gegenstandsbezogene Verwertungsverbote – auch die Reichweite der Vertraulichkeit. Dabei sind sie aber an die Grenzen zwingenden Rechts gebunden, zu denen z. B. die allgemeine Zeugenpflicht gehört.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma zwischen der gesetzlichen Verpflichtung zur Zeugenaussage und dem Schutz von Mediation und Mediator ist nicht in Sicht. Das lässt ohne weiteres den Schluss zu, dass die gesetzlichen Bestimmungen nicht ausreichen, das Verfahren der Mediation vor einer solchen „Veröffentlichung“ zu schützen, und die Interessen der Mediatoren in der Regel zu schwach sein werden, um die Parteien davon abzuhalten, diese wie hier am Ende dennoch vor Gericht und damit die eigentlich vertraulichen Informationen in die Öffentlichkeit zu ziehen – allerdings nur, wenn alle Parteien dem zustimmen. Insofern ist der Schutz der Vertraulichkeit zumindest so lange gewährleistet, wie die Parteien des Verfahrens dies wünschen. Auf eine Vertraulichkeitsklausel in der Mediantenvereinbarung sollte man daher auf keinen Fall verzichten.