Tarifverhandlungen und Streiks

Das Tarifvertragsrecht ist ebenso wie das Streikrecht nur rudimentär gesetzlich geregelt. Das Grundgesetz schützt in Art. 9 Abs. 3 die Koalitionsfreiheit. Die Konkretisierung der Koalitionsfreiheit erfolgte weitgehend die die Arbeitsgerichte und durch das Bundesverfassungsgericht.

Grundgesetzlich geschützt ist zum einen der Einzelne in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu verlassen. Daher haben bspw. Arbeitnehmer das Recht, Gewerkschaften zu gründen, ihnen beizutreten oder aus Gewerkschaften auszutreten. Geschützt ist zum anderen aber auch die Koalition (Gewerkschaft, Arbeitgeberverband) selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen.

Beispiele:

  • Ein Arbeitgeber kann nicht von einem Bewerber verlangen, aus der Gewerkschaft auszutreten.
  • Eine Gewerkschaft darf am Schwarzen Brett im Betrieb für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft werben.
  • Eine Gewerkschaft kann u.a. unter Verletzung des Eigentums/Besitzes des Arbeitgebers für Streiks werben (BAG, Urt. v. 20.11.2018 – 1 AZR 189/17).
  • Ein Arbeitgeber ist aber nicht verpflichtet, der tarifzuständigen Gewerkschaft die dienstlichen E Mail-Adressen seiner Arbeitnehmer zum Zweck der Mitgliederwerbung mitzuteilen (BAG, Urt. v, 28.1.2025 – 1 AZR 33/24).

Tarifvertragsparteien können die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder in kollektiven Verträgen autonom gestalten. Der Staat nimmt grundsätzlich keinen Einfluss auf den Inhalt von Tarifverträgen. Siehe hierzu https://buse.de/blog/arbeitsrecht/bundesverfassungsgericht-bag-beachtet-tarifautonomie-nicht/ Unzulässig sind allgemeinpolitische Tarifverträge.

Wer kann Tarifverträge schließen?

Tarifvertragsparteien sind auf Arbeitgeberseite die Arbeitgeberverbände. Aber auch der einzelne Arbeitgeber kann Tarifverträge schließen. Auf Arbeitnehmerseite sind ausschließlich Gewerkschaften Tarifvertragsparteien. Tarifverträge können nicht verhandelt/geschlossen werden zwischen dem Arbeitgeber und

  • dem Betriebsrat (sondern Betriebsvereinbarungen)
  • den (einzelnen) Mitarbeitern
  • Sonstigen Initiativen

Nicht jede Arbeitnehmervertretung ist eine Gewerkschaft. Gewerkschaften sind tariffähige Arbeitnehmerkoalition. Die Gewerkschaft muss sich als satzungsgemäße Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer gesetzt haben und willens sein, Tarifverträge zu schließen. Die Koalition muss frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen. An Gegnerunabhängigkeit fehlt es, wenn Abhängigkeit vom Arbeitgeber in der Struktur der Arbeitnehmervereinigung angelegt und verstetigt ist und die eigenständige Interessenwahrnehmung der Tarifvertragspartei durch personelle Verflechtungen, auf organisatorischem Weg oder durch wesentliche finanzielle Zuwendungen ernsthaft gefährdet ist. Siehe hierzu https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/gewerkschaft-gdl-will-arbeitgeber-ihrer-mitglieder-werden_76_596384.html

Die Arbeitnehmervereinigung muss über ein Mindestmaß an Verhandlungsgewicht, also Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite und über eine leistungsfähige Organisation verfügen (soziale Mächtigkeit). Auf die soziale Mächtigkeit lässt sich nur anhand von Indizien schließen.

  • Zahl der Mitglieder – als Organisationsstärke im Verhältnis zu dem von ihr selbst gewählten räumlichen und fachlichen Organisationsbereich – hat prinzipiell entscheidende Bedeutung.
  • Bestehen Zweifel an einer hinreichenden Durchsetzungsfähigkeit, kann diese auch durch eine langjährige Teilnahme der Arbeitnehmervereinigung am Tarifgeschehen indiziert sein.
  • Von der Arbeitnehmervereinigung innerhalb ihrer satzungsmäßigen Zuständigkeit geschlossene Tarifverträge müssen in nennenswertem Umfang bestehen und diese müssen repräsentativ für die von der Arbeitnehmervereinigung gegenwärtig beanspruchte Zuständigkeit sein.
  • Es genügt, dass die Arbeitnehmervereinigung Durchsetzungskraft und organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des selbst gewählten Zuständigkeitsbereichs besitzt.

Neben der positiven Koalitionsfreiheit garantiert Art. 9 Abs. 3 GG auch die negative Koalitionsfreiheit. Ein Tarifvertrag kann also bspw. nicht vorsehen, dass ein Arbeitgeber nur Gewerkschaftsmitglieder einstellen darf.

Was sind Tarifverträge?

Tarifverträge verfügen über einen schuldrechtlichen und normativen Teil. Der schuldrechtliche Teil regelt das Verhältnis zwischen den Tarifvertragsparteien. Er hat grundsätzlich keine Relevanz für die Arbeitnehmer. Der normative Teil enthält die Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

Die Durchführungspflicht verpflichtet die Tarifvertragsparteien, den Tarifvertrag zu erfüllen und durchzuführen. Sie haben alles zu unterlassen, was die Abwicklung des Tarifvertrags in Frage stellen könnte. haben ihre Mitglieder über die geschlossenen Tarifverträge und deren Inhalte zu informieren und auf die Mitglieder einzuwirken, die Tarifverträge einzuhalten. Besteht ein Tarifvertrag ungekündigt, verbietet die relative Friedenspflicht Arbeitskampfmaßnahmen bzgl. der Inhalte des Tarifvertrages. Die Tarifvertragsparteien können auch eine absolute Friedenspflicht vereinbaren, z.B. während der Tarifverhandlungen.

Der normative Teil eines Tarifvertrages enthält Rechtsnormen.

Beispiele:

  • Grundlagen des Arbeitsverhältnisses (z.B. Urlaubsansprüche, Lohn und Gehalt, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall)
  • Regelungen zum Abschluss eines Arbeitsvertrages (z.B. Schriftform, Wiedereinstellungszusagen bei Schlechtwetterkündigungen im Baugewerbe)
  • Regelungen zum Beendigung eines Arbeitsvertrages (z.B. Kündigungsfristen, Ausschluss ordentlicher Kündigung bei langer Betriebszugehörigkeit)

Tarifverträge können aber auch Betriebsnormen enthalten. Diese regeln betriebliche Fragen.

Beispiele:

  • Waschräume, Betriebskantine (sog. Sozialnormen)
  • Torkontrollen, Rauchverbote (sog. Ordnungsnormen)

Auch betriebsverfassungsrechtliche Normen sind möglich. Sie regeln die Ordnung der Betriebsverfassung. Zu nennen sind insb. Tarifverträge zu abweichenden Betriebs-/Betriebsratsstrukturen, § 3 BetrVG.

Tarifverträge können auch Regelungen zu gemeinsamen Einrichtungen enthalten, z.B. Sozial- oder Pensionskassen.

Rechtsnormen eines Tarifvertrags gelten unmittelbar und zwingend bei beiderseitiger Tarifbindung, § 4 Abs. 1 S. 1 TVG. Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist, § 3 Abs. 1 TVG. Tarifverträge dürfen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen, bspw. § 622 Abs. 4 BGB; § 13 BUrlG; § 12 EFZG; § 7 ArbZG.

Die unmittelbare und zwingende Wirkung bedeutet, dass es keiner weiteren Umsetzungsschritte bedarf (also bspw. keine Zustimmung von/Vereinbarung mit Arbeitnehmern). Abweichende Regelungen sind nicht zulässig, soweit der Tarifvertrag Abweichungen nicht gestattet oder das Günstigkeitsprinzip greift. Arbeitnehmer können nicht auf Rechte aus einem Tarifvertrag verzichten, § 4 Abs. 4 TVG. Nach Ende des Tarifvertrages gelten Rechtsnormen unmittelbar, aber nicht mehr zwingend weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden (Nachwirkung, § 4 Abs. 5 TVG).

Tarifbindung und Geltung eines Tarifvertrages

Die unmittelbare und zwingende Rechtswirkung eines Tarifvertrages setzt die beiderseitige Tarifbindung voraus. Tarifgebunden sind Mitglieder der Tarifvertragsparteien. Tarifgebunden ist auch der einzelne Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist. Die Tarifbindung bleibt auch bei Austritt aus der Gewerkschaft oder dem Arbeitgeberverband bestehen, bis der Tarifvertrag endet, § 3 Abs. 3 TVG, wobei hierfür auch die Änderung des Tarifvertrages genügt. Die Satzung eines Arbeitgeberverbands kann eine OT-Mitgliedschaft des Arbeitgebers vorsehen, so dass ein Mitglied nicht unter die Tarifbindung fällt. Betriebsnormen und betriebsverfassungsrechtliche Normen setzen nur die Tarifbindung des Arbeitgebers voraus.

Ein bestimmter Tarifvertrag findet ferner unmittelbar und zwingend Anwendung, wenn er allgemeinverbindlich ist, § 5 TVG. Allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten für alle Arbeitsverhältnisse, soweit das Arbeitsverhältnis erfasst wird (Branche, Region, Arbeitsplatz), unabhängig von der Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien.

Ein bestimmter Tarifvertrag kann auch aufgrund einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme anzuwenden sein. Die Inbezugnahme eines Tarifvertrags hat (allein) nicht die Wirkung gemäß § 4 Abs. 1 TVG (also keine normative Wirkung).

Hinweis:
Bei Inbezugnahme des gesamten Tarifvertrages findet hinsichtlich dieser Regelungen keine inhaltliche Kontrolle („AGB-Kontrolle“) durch die Arbeitsgerichte statt, da Tarifverträge Rechtsnormen enthalten und von diesen bei vollständiger Inbezugnahme nicht abgewichen wird.

Rechtsnormen eines Tarifvertrages werden bei Betriebsübergängen zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, § 613a Abs. 1 S. 2 BGB. Sie bleiben aber kollektive Normen. Es gilt eine gesetzliche Änderungssperre für ein Jahr. Eine Transformation in die Arbeitsverträge erfolgt nicht, wenn beim Betriebserwerber Tarifverträge zu demselben Regelungsgegenstand bestehen, § 613a Abs. 1 S. 3 BGB.

Ein Arbeitgeber kann an mehrere Tarifverträge gebunden sein. Ein Fall der Tarifkonkurrenz liegt vor, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer an zwei Tarifverträge gebunden sind. Das kann bspw. eintreten, wenn ein Haustarifvertrag besteht und ein Verbandstarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird. Eine Tarifpluralität besteht, wenn nur der Arbeitgeber an zwei Tarifverträge gebunden ist, die Arbeitnehmer indessen jeweils nur an einen Tarifvertrag.

Eine Tarifkonkurrenz wird gemäß § 4a TVG nach dem Mehrheitsprinzip aufgelöst. Eine Ausnahme hiervon gilt, wenn Haustarifvertrag und allgemeinverbindlicher Tarifvertrag in Konkurrenz zueinanderstehen. Dann gilt der speziellere Tarifvertrag. Die Auflösung einer Tarifpluralität erfolgt gemäß § 4a TVG (ebenfalls) nach dem Mehrheitsprinzip. Soweit sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden, sind im Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die zum Zeitpunkt des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat. § 4a Abs. 2 Satz 1 TVG schreibt fest, dass der Arbeitgeber nach § 3 TVG an mehrere Tarifverträge gebunden sein kann. Der Grundsatz der Tarifeinheit greift insoweit nur subsidiär, wenn es den Gewerkschaften nicht gelingt, sich autonom zu verständigen. Tarifverträge können auch dann geschlossen werden, wenn diese anschließend aufgrund der Kollisionsregelung des § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG verdrängt werden (BVerfG, Urt. v. 11.07.2017 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16, NZA 2017, 915)

Günstigkeitsprinzip

Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen gehen Rechtsnormen im Tarifvertrag vor, § 4 Abs. 3 TVG. Der Günstigkeitsvergleich wird bezogen auf das einzelne Arbeitsverhältnis durchgeführt, also individuell. Für den Günstigkeitsvergleich ist ein Sachgruppenvergleich erforderlich. Regelungen im Tarifvertrag und der abweichenden Abmachung müssen nach der Verkehrsanschauung denselben Regelungsgegenstand betreffen (keine Rosinenpickerei).

Streiks

Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Betätigungsfreiheit der Koalitionen erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen, insb. auf Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Wichtigste Arbeitskampfmaßnahme von Gewerkschaften ist der Streik. Gewerkschaften können auch alternative Arbeitskampfformen entwickeln und anwenden. Streikbegleitende Flashmob Aktionen können daher als Arbeitskampfmittel zulässig sein (BAG, Urt. v. 22.9.2009 – 1 AZR 972/08). Unzulässig sind kollektive Krankmeldungen („Go sick“), Betriebsblockaden und Betriebsbesetzungen. Arbeitgeber haben insb. die Aussperrung als Arbeitskampfmittel.

Es gibt keine gesetzliche Regelung zum Arbeitskampfrecht. Streiks dienen der Einführung eines Tarifvertrages oder dessen Änderungen. Keine legitimen Streikziele sind daher politische Ziele (z. B. Proteste gegen die Sparpolitik eines Bundeslandes). Ein Streik wird von einer Gewerkschaft getragen und von ihr beschlossen. Gewerkschaften dürfen zur Erzwingung von Verhandlungen und des Abschlusses eines Tarifvertrages zum Streik aufrufen. Das Streikrecht besteht unabhängig davon, wer ursprünglich die Initiative für den Abschluss eines Tarifvertrages ergriffen hatte.

Ein Streik muss zur Zielerreichung (= Abschluss eines Tarifvertrages) geeignet sein. Geeignet ist ein Kampfmittel, wenn durch seinen Einsatz die Durchsetzung des Kampfziels gefördert werden kann. Dabei kommt der Gewerkschaft eine Einschätzungsprärogative zu (Gewerkschaft hat sehr weiten Ermessensspielraum). Diese Voraussetzung wird fast immer gegeben sein.

Streik muss erforderlich sein. Mildere Mittel dürfen zur Erreichung des angestrebten Ziels nach der Beurteilung der Gewerkschaft nicht zur Verfügung stehen. Die Gewerkschaft hat auch hier einen sehr weiten Ermessensspielraum. Unverhältnismäßig ist ein Streik, wenn der Arbeitgeber bereits die geforderten Zugeständnisse gemacht hat.

Der Streik muss objektiv angemessen/proportional sein (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn). Verhältnismäßig im engeren Sinn ist ein Arbeitskampfmittel, das sich unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten Kampfziels unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen als angemessen darstellt. Unverhältnismäßig ist ein Arbeitskampfmittel erst, wenn es sich auch unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs als unangemessene Beeinträchtigung gegenläufiger, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen darstellt. Es ist gerade Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme, durch Zufügung wirtschaftlicher Nachteile Druck zur Erreichung eines legitimen Ziels auszuüben. Erhaltungs- und Notstandsarbeiten müssen auch während der Streiks durchgeführt werden. Hierfür bedarf es ggf. Notdienstregelungen.

Normalerweise finden Streiks außerhalb des Betriebes statt. Der Arbeitgeber muss sein Eigentum nicht zur Streikzwecken zur Verfügung stellen. Eine Gewerkschaft kann aber berechtigt sein, auf Firmenparkplatz zu streiken (BAG, Urt. v. 20.11.2018 – 1 AZR 189/17).

Die Gewerkschaft muss einen Streik beschließen und dem Arbeitgeber diesen Beschluss bekannt gemacht haben. Ob interne Satzungsregeln über die Beschlussfassung eingehalten werden, ist für die Zulässigkeit eines Streiks unerheblich. Die Schaffung der Möglichkeit der Kenntnisnahme des Streikbeschlusses durch den Arbeitgeber genügt für das „Bekanntmachen“. Einem Streik geht zwar regelmäßig eine Urabstimmung der Gewerkschaftsmitglieder voraus; fehlt eine solche Urabstimmung hat dies aber wiederum keinen Einfluss auf die Frage der Zulässigkeit eines Streiks.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des bestreikten Betriebes dürfen streiken. Die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft, die zum Streik aufgerufen hat, ist nicht erforderlich. Sogar Arbeitnehmer, die Mitglied einer anderen Gewerkschaft sind, dürfen mitstreiken. Auch Auszubildende des bestreikten Betriebs dürfen sich am Streik beteiligen. Streikrecht besteht insbesondere, wenn der angestrebte Tarifvertrag auch für Auszubildende Regelungen enthalten soll.

Der Arbeitgeber darf Leiharbeitnehmer nicht als Streikbrecher einsetzen, § 11 Abs. 5 S. 1 AÜG. Leiharbeitnehmer sind nicht verpflichtet, bei einem durch einen Arbeitskampf betroffenem Entleiher tätig zu werden, § 11 Abs. 5 S. 2 AÜG.

Arbeitgeberseitige Abwehrmöglichkeiten gegen einen Streik

Der Arbeitgeber darf die Vergütung während der Streikteilnahme des Arbeitnehmers einbehalten. Das gilt bei rechtmäßigen und rechtswidrigen Streiks gleichermaßen. Erfasst ist auch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wenn der Arbeitnehmer während des Streiks erkrankt oder er sich trotz Krankheit am Streik beteiligt.

Ein Arbeitnehmer darf bei Beteiligung an einem rechtswidrigen Streik grundsätzlich abgemahnt werden. Arbeitnehmer dürfen aber regelmäßig auf die Rechtmäßigkeit eines durch die Gewerkschaft ausgerufenen Streiks vertrauen und verhalten sich damit nicht arbeitsvertragswidrig. Arbeitnehmer müssen dem Arbeitgeber anzeigen, dass sie streiken. Bleibt also ein Arbeitnehmer einfach zu Hause, kann der Arbeitgeber nicht erkennen, ob Arbeitnehmer streikt oder unentschuldigt fehlt.

Der Arbeitgeber kann versuchen, beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung auf Untersagung eines angekündigten rechtswidrigen Streiks zu erwirken. Denkbar ist auch die Geltendmachung von Schadenersatz gegen eine Gewerkschaft bei einem rechtswidrigen Streik verlangen.

Aussperrung und andere Arbeitskampfmittel des Arbeitgebers

Das „klassische“ Arbeitskampfmittel auf Arbeitgeberseite ist die Aussperrung. Aussperrungen praktisch aber kaum (noch) vor. Aussperrung bedeutet die generelle Zurückweisung der Arbeitsleistung unter Verweigerung der Lohnzahlung als Mittel der kollektiven Druckausübung zur Erreichung eines Tarifzieles.

Anstelle einer Aussperrung kann der Arbeitgeber den Betrieb im zeitlichen und räumlichen Rahmen des Streiks stilllegen. Eine solche suspendierende Stilllegung hat zur Folge, dass auch arbeitswillige Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch verlieren. Nicht streikende, arbeitswillige Außenseiter werden in die Risikogemeinschaft der Arbeitnehmer im Streikgeschehen einbezogen. Zulässig sind solche Stilllegungen nur innerhalb des Rahmens, den der Streikaufruf in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht gesetzt hat.

Für die Praxis wichtiger ist die Möglichkeit für den Arbeitgeber Streikbruchprämien zu zahlen. Diese Prämie muss unterschiedslos an alle Arbeitnehmer gezahlt werden und nicht ausschließlich Gewerkschaftsmitgliedern.