- Welche Formen der Unternehmensmitbestimmung gibt es?
- Unter welchen Voraussetzungen unterliegt ein Unternehmen (erstmals) der Mitbestimmung?
- Was muss bei der erstmaligen Errichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats – aus Unternehmenssicht – beachtet werden?
und
- Welche Maßnahmen können eine Mitbestimmung im Aufsichtsrat verhindern?
Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat richtet sich insb. nach folgenden gesetzlichen Regelungen:
1. Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)
- gilt für Unternehmen mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern
- Aufsichtsrat ist zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen
2. Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG)
- gilt für Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern
- Aufsichtsrat ist zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen
3. Montan-Mitbestimmungsgesetz (Montan-MitbestG)
- gilt für Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie mit grds. mehr als 1.000 Arbeitnehmern
- Aufsichtsrat mit grds. 11 Mitgliedern (grds. 5 Arbeitnehmervertreter, 5 Anteilseignervertreter, 1 weiteres Mitglied)
- ergänzt durch das Mitbestimmungsergänzungsgesetz
4. SE-Beteiligungsgesetz (SE-BG)
Erwähnt werden muss noch das SE-BG, das die Mitbestimmungssicherung bei Gründung einer Societas Europaea, also einer europäischen Aktiengesellschaft regelt.
Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)
Das MitbestG regelt eine paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Unterfällt die Gesellschaft dem MitbestG, ist der Aufsichtsrat zu gleichen Teilen mit Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu besetzen. Die Regelungen zur Mitbestimmung gelten für
- Aktiengesellschaften (AG)
- Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA)
- Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und
- Genossenschaften
Wird eine Rechtsform gewählt, die nicht unter den o.g. Katalog fällt (z. B. die Societas Europaea), unterliegt das Unternehmen nicht der Mitbestimmung. Hier wäre ggf. an einen Rechtsformwechsel zu denken. Auch bei einem Erwerb weiterer Unternehmen sollte dieser Aspekt mit berücksichtigt werden.
Voraussetzung ist grundsätzlich, dass in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Arbeitnehmer im Sinne des § 3 MitbestG sind auch Teilzeitbeschäftigte, leitende Angestellte (anders als im DrittelbG), geringfügig Beschäftigte, Leiharbeitnehmer (bei gesetzlich zulässiger Leiharbeit). Keine Arbeitnehmer im Sinne des § 3 MitbestG sind im Ausland tätige Mitarbeiter, freie Mitarbeiter (Freelancer) und Arbeitnehmer während der Freistellungsphase einer verblockten Altersteilzeit.
Für die Ermittlung der Zahl der Beschäftigten ist aber nicht nur auf das Unternehmen selbst abzustellen. Ist ein Unternehmen herrschendes Unternehmen eines Konzerns i.S.v. § 18 Abs. 1 AktG, so gelten für die Anwendung des MitbestG auf das herrschende Unternehmen die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen als Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens. Nicht erforderlich ist ein Beherrschungsvertrag, vielmehr genügt alleine das Vorliegen einer Konzernstruktur gem. §§ 17, 18 Abs. 1 AktG.
Für die Konzernspitze könnte (wiederum) eine Rechtsform gewählt werden, die nicht der Mitbestimmung unterliegt (z.B. eine Stiftung), ggf. in Kombination mit einer Kommanditgesellschaft (KG).
Bei der GmbH kommt die Besonderheit hinzu, dass diese einen obligatorischen Aufsichtsrat eigentlich nicht kennt. Er ist bei Überschreiten der Schwellenwerte (ggf. erstmalig) zu errichten.
Nicht dem MitbestG unterliegen sog. Tendenzunternehmen.
Sonderfall: Kapitalgesellschaft & Co. KG, §§ 4, 5 MitbestG
Die Kommanditgesellschaft (KG) selbst unterfällt nicht den Regeln des MitbestG.
Bei der Gestaltung der gesellschaftsrechtlichen Struktur sind aber Besonderheiten zu beachten, wenn persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) der KG ein Unternehmen ist, auf das die Regelungen des MitbestG Anwendung finden. So finden Zurechnungen von Arbeitnehmern zum Zwecke der Anwendung des MitbestG in verschiedenen Konstellationen statt.
- Können die bei der KG beschäftigten Arbeitnehmer dem Komplementär zugerechnet werden, also dem persönlich haftenden Gesellschafter der KG (§ 4 Abs. 1 MitbestG). Voraussetzung ist eine Mehrheitsidentität zwischen den Kommanditisten der KG und der Mehrheit beim Komplementär. Auch die Einheitsgesellschaft ist erfasst. Der Komplementär darf selbst nicht mehr als 500 Arbeitnehmer in dem eigenen Geschäftsbetrieb beschäftigen.
- Können die Arbeitnehmer der KG einem herrschenden Unternehmen in einer Konzernstruktur zugerechnet werden (§ 5 Abs. 1 S. 1 MitbestG).
- Können auch die Arbeitnehmer des Komplementärs der KG einem herrschenden Unternehmen in einer Konzernstruktur zugerechnet werden (§ 5 Abs. 1 S. 2 MitbestG).
- Können Arbeitnehmer anderer konzernangehörige Unternehmen dem Komplementär zugerechnet werden, wenn dieser Komplementär einer KG ist, die ihrerseits herrschendes Unternehmen in einem Konzern ist (§ 5 Abs. 2 S. 1 MitbestG).
Zur Vermeidung einer Mitbestimmung beim Komplementär durch die Zurechnung weitere Arbeitnehmer kommen Strukturen in Betracht, in denen der Komplementär bspw. eine Stiftung oder eine SE ist. Auch eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft kommt in Betracht.
Konzern im Konzern
Innerhalb einer Konzernstruktur kann es zu einer Zurechnung von Beschäftigten zu einer Konzernobergesellschaft kommen. Allein die Aufspaltung in kleinere Gesellschaften ist mithin keine hinreichende Option zur Mitbestimmungsvermeidung.
Ist die Konzernobergesellschaft jedoch im Ausland ansässig oder handelt es sich bei ihr um eine Rechtsform, die dem MitbestG nicht unterfällt, z.B. eine Privatperson, Stiftung, Societas Europaea (SE) etc. scheidet eine Zurechnung aus.
In Betracht kommen kann aber eine Zurechnung zu einer Zwischengesellschaft gemäß der Rechtsfigur des Konzerns im Konzern. Voraussetzung ist, dass der Konzernzwischengesellschaft im Hinblick auf die nachgeordneten Gesellschaften
- ein eigenständiger Entscheidungsspielraum eingeräumt und
- insoweit die Leitungsmacht übertragen wurde.
Ein eigenständiger Entscheidungsspielraum fehlt bspw., wenn sich die übergeordnete Konzerngesellschaft die Richtlinienpolitik, die Finanzplanung und das Controlling vorbehalten hat.
Eine Zurechnung von Mitarbeitern zu einer Konzernzwischengesellschaft kann also bspw. dadurch vermieden werden, dass die Zwischengesellschaft Entscheidungen der Konzernobergesellschaft faktisch nur „durchreicht“.
Drittelbeteiligungsgesetz
Aktiengesellschaften mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern, aber unterhalb des Schwellenwertes zum MitbestG sind verpflichtet, ihre Aufsichtsräte zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen. Ebenfalls dem Geltungsbereich des DrittelbG unterliegen Unternehmen in der Rechtsform einer/eines
- GmbH
- KGaA
- Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, wenn dort ein Aufsichtsrat besteht,
- Genossenschaft
wenn diese in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, und sie nicht unter das MitbestG fallen. Erfasst sind auch Auszubildende, geringfügig Beschäftigte und Leiharbeitnehmer.
Für die Ermittlung der Arbeitnehmerzahl werden einer Konzerngesellschaft die Mitarbeiter solcher Unternehmen als eigene Mitarbeiter zugerechnet, mit denen die Konzerngesellschaft einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hat oder wenn ein Fall der Eingliederung vorliegt.
Wenn es zwischen der Konzernobergesellschaft und der Tochtergesellschaft keinen Beherrschungsvertrag gibt, erfolgt keine Zurechnung der Arbeitnehmer. Das bedeutet, dass ein Konzern insg. mitbestimmungsfrei bleibt, wenn keine der beteiligten Gesellschaften mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt, sofern insg. der Schwellenwert von 2.000 Arbeitnehmern nicht überschritten wird.
An der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens eines Konzerns (§ 18 Abs. 1 des Aktiengesetzes) nehmen aber auch die Arbeitnehmer der übrigen Konzernunternehmen teil. Anders als bei Zurechnung für die Schwellenwerte ist hier ein Beherrschungsvertrag nicht erforderlich. Vielmehr genügt alleine das Vorliegen einer Konzernstruktur gemäß §§ 17, 18 Abs. 1 AktG.
Für Aktiengesellschaft, die vor dem 10.08.1994 eingetragen worden sind (sog. Altgesellschaften), gilt des DrittelbG in der Regel auch dann, wenn weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigt werden und es sich bei der AG nicht um eine Familiengesellschaft handelt.
Nicht dem DrittelbG unterliegen sog. Tendenzunternehmen.
Tendenzunternehmen
Die Regelungen zur Mitbestimmung im Aufsichtsrat nach dem MitbestG und nach dem DrittelbG gelten nicht für sog. Tendenzunternehmen. Das sind Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz anzuwenden ist, dienen.
In Konzernstrukturen, insb. in Gesundheitskonzernen, stellt sich die Problematik, inwieweit auch die Konzernobergesellschaft selbst Tendenzschutz genießen kann. Verfolgt die Konzernobergesellschaft selbst unmittelbar und überwiegend tendenzgeschützte Zwecke, so ist eine Mitbestimmung auf Unternehmensebene nicht vorgesehen.
Ist die Konzernobergesellschaft nicht selbst Tendenzunternehmen,
- sind aber die einzelnen konzernangehörigen Unternehmen zumindest teilweise tendenzgeschützt und
- überwiegt bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der tendenzgeschützte Bereich innerhalb des Konzerns,
besteht kein Anspruch der Arbeitnehmer auf Beteiligung im Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft.
Die Konzernobergesellschaft muss sich im Wesentlichen auf die Leitung der konzernangehörigen Unternehmen beschränken und die Leitungsmacht darf sich ausschließlich oder überwiegend auf Unternehmen beziehen, die ihrerseits Tendenzunternehmen sind. Entscheidend sind die Regelungen in der Satzung der Konzernobergesellschaft
Societas Europaea
Die Societas Europaea (SE) unterfällt – zumindest nach derzeitiger Rechtslage – nicht dem deutschen Mitbestimmungsrecht. Für sie gilt also weder das MitbestG noch das DrittelbG.
Die SE ist daher auch aus mitbestimmungsrechtlicher Sicht für solche mittelständischen Unternehmen interessant, die sie sich den Schwellenwerten des DrittelbG oder des MitbestG nähern.
Die Mitbestimmung in der SE beruht – anders als nach dem MitbestG oder dem DrittelbG – auf dem Ergebnis von Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern („besonderes Verhandlungsgremium“) bei Gründung der SE.
Kommt eine Einigung über das künftige Mitbestimmungsniveau nicht zustande, gilt eine Auffangregelung: Grundsätzlich wird das bisherige Mitbestimmungsniveau übernommen.
Problematisch ist die Konstellation, dass zwar die jeweiligen Schwellenwerte in einer AG oder einer GmbH überschritten werden, aber gleichwohl kein (drittelparitätisch) mitbestimmter Aufsichtsrat gebildet worden ist. Es stellt sich die Frage, welches Mitbestimmungsniveau dann übernommen wird.
Wäre dann das Mitbestimmungsniveau maßgeblich, das es hätte geben müssen (z.B. paritätische Mitbestimmung)?
Oder ist auf das tatsächliche Mitbestimmungsniveau abzustellen (z.B. keine Mitbestimmung)?
Diese Frage ist noch nicht endgültig gerichtlich geklärt. In einem Beitrag für den Betriebs-Berater habe ich eine differenzierende Betrachtung angeregt (BB 2012, 902 ff.): Im Falle einer Gründung der SE durch Umwandlung kommt es auf die Soll-Mitbestimmung an, in allen anderen Gründungsarten dagegen auf die Ist-Mitbestimmung.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage in einer Entscheidung offengelassen. Denn wenn bspw. während der Verhandlungen arbeitnehmerseitig ein Statusverfahren gemäß §§ 97 ff. AktG eingeleitet wird, ist dessen Ergebnis für das künftige Mitbestimmungsniveau maßgeblich (BGH, Beschl. v. 23.7.2019 – II Z B 20/18).
Eine arbeitnehmerlose SE kann grds. auch ohne Verhandlungsverfahren eingetragen werden (insb. Vorrats-SE).
Ist die SE einmal gegründet, löst eine Erhöhung der Mitarbeiterzahl nicht automatisch eine Mitbestimmung aus:
- Tritt bei einer GmbH & Co. KG die GmbH als Komplementär aus und eine SE als neuer Komplementär der KG ein, entsteht also eine SE & Co. KG, ist ein Verfahren zur Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE nicht durchzuführen (LAG Nürnberg, Beschl. v. 1.9.2022 – 3 TaBV 29/21 & 1 TaBV 27/21, nicht rechtskräftig).
- Beschäftigt weder eine Holding-SE noch die bei ihrer Gründung beteiligten Gesellschaften oder ihre Tochtergesellschaften Arbeitnehmer, kann die SE ohne vorherige Durchführung von Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer eingetragen werden. Wird SE später herrschendes Unternehmen von Tochtergesellschaften, in denen Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist eine Aufnahme solcher Verhandlungen nicht erforderlich (EuGH, Urt. v. 16.5.2024 – C-706/22).
Bedeutung des Statusverfahrens für die Aktiengesellschaft
Bei der Aktiengesellschaft (AG) ist die Bildung eines Aufsichtsrats obligatorisch. Sofern die AG dem MitbestG bzw. dem DrittelbG unterfällt, haben die Arbeitnehmer ein Recht auf Mitbestimmung im Aufsichtsrat. Hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft gilt das Kontinuitätsprinzip. Das bedeutet, dass sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht automatisch ändert, wenn andere gesetzliche Regelungen gelten. Wächst also bspw. ein mittelständisches Unternehmen und erhöht sich damit auch die Zahl der Arbeitnehmer, wird der Aufsichtsrat nicht etwa automatisch (drittel-)mitbestimmt. Vielmehr hat eine Bekanntmachung gemäß § 97 AktG zu erfolgen bzw. ein Statusverfahren gemäß § 98 AktG ist durchzuführen.
Ist der Vorstand der AG Ansicht, dass der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist, so hat er dies gemäß § 97 Abs. 1 AktG unverzüglich in den Gesellschaftsblättern und gleichzeitig durch Aushang in sämtlichen Betrieben der Gesellschaft und ihrer Konzernunternehmen bekanntzumachen. Die nach Ansicht des Vorstands maßgebenden gesetzlichen Vorschriften sind in der Bekanntmachung anzugeben.
Innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung können u.a. der Gesamtbetriebsrat oder auch eine Gewerkschaft ein gerichtliches Statusverfahren einleiten. Hierauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Der Vorstand kann bei Unklarheit oder Streit über die gesetzlichen Vorschriften zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats selbst das Statusverfahren nach § 98 AktG einleiten – ohne vorherige Bekanntmachung. Solange das Verfahren gemäß §§ 97 ff. AktG läuft, bleibt der Aufsichtsrat gemäß § 97 Abs. 3 AktG ordnungsmäßig im Amt.
Der Hauptanwendungsfall des Statusverfahrens ist der Wechsel des Mitbestimmungsniveaus der Aktiengesellschaft. Wächst also bspw. eine bisher drittelparitätisch mitbestimmte AG in den Geltungsbereich des MitbestG hinein, ändert sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht automatisch. Vielmehr hat eine entsprechende Bekanntmachung durch den Vorstand zu erfolgen bzw. ist ein Statusverfahren durchzuführen. Gleiches gilt, wenn das Mitbestimmungsniveau sinkt.
Unterbleibt eine Bekanntmachung bzw. ein Statusverfahren, ist die gleichwohl durchgeführte Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat nichtig.
Bedeutung des Statusverfahrens für die GmbH
Die Regelungen zur Bekanntmachung, dass der Aufsichtsrat künftig nach anderen Rechtsvorschriften zusammenzusetzen ist, bzw. zum Statusverfahren gelten auch für die GmbH. Die GmbH kennt nach den gesetzlichen Regelungen eigentlich keinen Aufsichtsrat als zwingendes Organ. Unterfällt aber die GmbH dem MitbestG oder dem DrittelbG, so ist auch hier ein Aufsichtsrat obligatorisch – und dieser ist zu 1/3 oder gar paritätisch mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen.
Für die Bildung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats sowie die Bestellung und die Abberufung seiner Mitglieder sind für die GmbH die maßgeblichen Vorschriften des AktG entsprechend anzuwenden. Und das gilt auch und insb. für das Statusverfahren.
Auch bei der GmbH ist das Statusverfahren durchzuführen, wenn eine Änderung im Aufsichtsrat eintritt. Besteht in einer GmbH erstmals die gesetzliche Notwendigkeit, einen mitbestimmten Aufsichtsrat zu bilden, ist dies ebenfalls bekanntzumachen – hier durch die Geschäftsführung – bzw. ein (anschließendes) Statusverfahren durchzuführen. Eine Bekanntmachung ist nicht nur erforderlich, wenn streitig oder ungewiss ist, nach welchen gesetzlichen Vorschriften ein zu bildender Aufsichtsrat zusammenzusetzen wäre. Es ist auch erforderlich bei Streit darüber, ob die Voraussetzungen des DrittelbG bzw. des MitbestG für die Bildung eines Aufsichtsrats vorliegen.
Werden bei der GmbH erstmalig Arbeitnehmer in einen bislang nicht vorhandenen Aufsichtsrat gewählt, ohne dass zuvor eine entsprechende Bekanntmachung erfolgt bzw. ein Statusverfahren durchgeführt wurde, ist diese Wahl nichtig (BAG, Beschl. v. 09.02.2023 – 7 ABR 6/22).
Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Statusverfahren
Die Bekanntmachung, dass sich ein Aufsichtsrat nach anderen gesetzlichen Regelungen zusammensetzen muss als bisher, bzw. in der GmbH erstmalig ein (drittel-)mitbestimmter Aufsichtsrat gebildet werden muss, erfolgt durch den Vorstand der AG bzw. durch die Geschäftsführung der GmbH.
Sieht der Vorstand oder die Geschäftsführung für die Bildung eines Aufsichtsrats nach dem MitbestG (oder DrittelbG) keine Veranlassung und leitet ein Verfahren nach § 97 AktG nicht ein, stellt dies eine Pflichtverletzung dar, die – theoretisch – zu Schadenersatzansprüchen seitens der Gesellschaft führen kann.
Ein Schaden wird jedoch kaum bezifferbar sein; verursacht eine Mitbestimmung im Aufsichtsrat doch eher Kosten, als dass sie Kosten einspart.
Umgekehrt sind Schadenersatzansprüche durchaus denkbar, wenn die Gesellschaft die mitbestimmungsrelevanten Schwellenwerte unterschreitet und gleichwohl der mitbestimmungsrechtliche Status quo mangels Bekanntmachung bzw. Statusverfahren beibehalten wird. Schadenersatzansprüche von Aktionären oder sonstigen Dritten sind in jedem Fall ausgeschlossen.
Zusammenfassung
Möglichkeiten zur Vermeidung einer Unternehmensmitbestimmung können also zusammengefasst sein:
- Wahl einer nicht der Mitbestimmung unterliegenden Rechtsform
- Gründung einer SE
- Beendigung eines Beherrschungsvertrags bei der Drittelmitbestimmung
Obacht ist aber bei der gesellschaftsrechtlichen Änderung bestehender Strukturen geboten. Hier gibt es verschiedene Vorschriften, die die bestehende Mitbestimmung schützen:
- Mitbestimmungsbeibehaltungsgesetz (MitbestBeiG)
Es betrifft bestimmte Einbringungs- und Anteilstauschkonstellationen nach dem Umwandlungssteuergesetz, die zu einem Verlust der Unternehmensmitbestimmung führen würden. - § 132a Umwandlungsgesetz (UmwG)
Entfallen durch Abspaltung oder Ausgliederung bei einem übertragenden Rechtsträger die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, so sind die vor der Spaltung geltenden Vorschriften noch für einen Zeitraum von fünf Jahren nach dem Wirksamwerden der Abspaltung oder Ausgliederung anzuwenden.
Ausnahme: die Zahl der Arbeitnehmer des übertragenden Rechtsträgers sinkt auf weniger als in der Regel ein Viertel des jeweiligen Schwellenwertes.
Zudem setzt eine Änderung in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats zwingend eine dahingehende Bekanntmachung des Vorstands (bzw. der Geschäftsführung) bzw. ein Statusverfahren voraus.