BGH: Schriftformheilungsklausel in Gewerbemietverträgen unwirksam.

 Schriftform gewinnt bei Gewerbemietverträgen wieder an Relevanz.

BGH: Schriftformheilungsklausel in Gewerbemietverträgen unwirksam, Insight von Markus Ruhmann und Torben Todsen, Rechtsanwälte der Kanzlei Buse Heberer Fromm

Der Bundesgerichtshof erklärt Schriftformheilungsklauseln in Gewerbemietverträgen für unwirksam.

Sie ist schon immer umstritten gewesen: Die Schriftformheilungsklausel in Gewerbemietverträgen. Diese unterliegen der Schriftform. Die wesentlichen Vertragsbedingungen wie Mietfläche, Miethöhe, Dauer und Parteien des Mietverhältnisses müssen in einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde geregelt sein. Das Schriftformerfordernis gilt auch für Änderungen der wesentlichen Vertragsbedingungen. Wird es nicht eingehalten, können Gewerbemietverträge – selbst bei vereinbarter Festlaufzeit – vorzeitig gekündigt werden. Gerade bei gewerblichen Mietverträgen ist die Möglichkeit einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung – zu jeder Zeit – für beide Vertragsparteien nicht hinnehmbar. Gewerbemietverträge werden häufig auf bestimmte Zeit (also 3, 5 oder 10 Jahre) geschlossen. Entsprechend disponieren die Parteien.

Eine Schriftformheilungsklausel soll die Mietvertragsparteien dazu verpflichten, eventuelle Schriftformmängel zu heilen – und sich nicht auf die Verletzung der Schriftform gegenüber dem Vertragspartner zu berufen. Der Bundesgerichtshof hat nun die Entscheidung (Urteil vom 27.09.2017, Az. XII ZR 114/16)getroffen, dass solche Schriftformheilungsklauseln unwirksam sind. Er sieht darin eine Umgehung der zwingenden Vorschrift des § 550 BGB. Dies gilt gleichermaßen für Wohnungs- und Gewerbemietverträge. Dabei ist es unerheblich, ob die Klausel individuell ausgehandelt oder als vorformulierte Geschäftsbedingung einseitig gestellt wurde.

Das bedeutet: Haben sich Mietvertragsparteien bisher in Bezug auf das Schriftformerfordernis wegen einer in ihrem Mietvertrag enthaltenen Schriftformheilungsklausel in Sicherheit gewogen, sind sie nun zum Handeln aufgefordert.

Der BGH begründet seine Entscheidung insbesondere mit dem Blick auf spätere Grundstückserwerber. Denn diese unterliegen dem Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ (§ 566 BGB) und treten von Gesetzes wegen mit allen Rechten und Pflichten in die bestehenden Mietverhältnisse ein. Sie müssen sie daher vor dem Erwerb sicher kennen. Das soll die Schriftform des § 550 BGB gewährleisten. Von Mietverträgen, deren wesentliche Inhalte von bei Erwerb unbekannten, weil nicht schriftlich vereinbarten Bedingungen abweichend von den dem Erwerber vorgelegten Mietvertragsurkunden gestaltet sind, soll der Grundstückserwerber sich auch bei langen Laufzeiten vorzeitig durch ordentliche Kündigung nach § 550 BGB lösen können. Zu beachten bleibt ergänzend: Auch wenn hier die Schutzfunktion des Grundstückserwerbers hervorgehoben wird, hat auch der „Altmieter“ bei Schriftformverstößen das Sonderkündigungsrecht des § 550 BGB.

Zu den deshalb in der Praxis mannigfaltig verwendeten Schriftformheilungsklauseln vertritt der BGH jetzt die Ansicht, dass dem Erwerber die ihm durch Gesetz eingeräumte Möglichkeit einen gegen die gesetzliche Schriftform verstoßenden Mietvertrag vorzeitig zu beenden, durch eine Schriftformheilungsklausel wieder genommen würde. Allerdings sei er durch das Schriftformerfordernis zu schützen, weil er selbst nicht Partei des jeweiligen Gewerbemietvertrages sei. Eine Schriftformheilungsklausel sei daher mit dem Schutzzweck des § 550 BGB unvereinbar.

Von diesem Grundsatz will der BGH in Einzelfällen unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben abweichen. Eine solche Konstellation nahm der BGH im hier besprochenen Fall an. Der Vermieter hatte mündlich mit dem Mieter eine für sich günstige Absprache getroffen und dann nach einiger Zeit den Vertrag unter Berufung auf den Schriftformverstoß vorzeitig gekündigt. Nach Ansicht des BGH stellte diese Kündigung ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Vermieters dar. Der BGH erklärte die vorzeitige Kündigung des Gewerbemietverhältnisses daher – trotz vorliegenden Schriftformmangels – für unwirksam.

Aber auch andere treuwidrige Verhaltensweisen können dazu führen, dass eine vorzeitige ordentliche Kündigung trotz mangelnder Schriftform unwirksam ist. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Vertragspartei die andere von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich in sonstiger Art und Weise einer Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat (z. B. indem ein Angebot zur Unterzeichnung eines Nachtrages zur Herstellung der fehlenden Schriftform nicht angenommen wurde). Eine Grenze für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts könnte auch dann überschritten sein, wenn die Existenz der anderen Vertragspartei mit einer vorzeitigen Kündigung bedroht würde (z. B. Tabakwarenhändler im Einkaufszentrum).

Handlungsempfehlung

Das Urteil betrifft nicht nur die ursprünglichen Vertragsparteien, sondern ganz wesentlich auch später auftretende Investoren, die Immobilien als Kapitalanlage mit den auf den Mieterträgen beruhenden Renditeerwartungen erwerben.

Die Entscheidung zwingt dazu, nun wieder äußerst sorgfältig darauf zu achten, dass das Schriftformerfordernis eingehalten wird. Dies gilt nicht nur für den Zeitpunkt des Abschlusses von Gewerbemietverträgen und ihrer Nachträge oder den der rechtlichen Due Diligence im Rahmen von Immobilientransaktionen, sondern diese Achtsamkeit bezieht sich auf die gesamte Laufzeit eines Gewerbemietverhältnisses. Die bislang zur Risikominderung verwandten Schriftformheilungsklauseln helfen künftig nicht mehr weiter.

Damit eine Festlaufzeit von 3, 5 oder 10 Jahren auch tatsächlich eine Festlaufzeit von 3, 5 oder 10 Jahren bedeutet (und nicht durch vorzeitige Kündigung zu einer Kurzlaufzeit wird), sollte das Asset Management beider Vertragsparteien darauf achten, dass sämtliche Absprachen zwischen den Parteien schriftlich (unter Bezugnahme auf den Hauptmietvertrag und vorzugsweise mit ihm fest verbunden) festgehalten und diese Dokumente von beiden Vertragsparteien gegengezeichnet werden. Bereits mündlich getroffene Abreden sollten nachträglich schriftlich wiederholt werden. Sobald Schriftformverstöße erkannt werden, sollte die Vertragspartei diese der anderen anzeigen und sie dazu auffordern, die fehlende Schriftform zu heilen (z. B. durch einen Nachtrag zum Mietvertrag). Vielleicht ließe sich bei Weigerung der anderen Vertragspartei mit Blick auf die vom BGH herangezogenen Grundsätze von Treu und Glauben dann noch die Wirksamkeit einer vorzeitigen Kündigung trotz erfolgten Schriftformverstoßes erfolgreich angreifen.

Die Schriftform von Mietverträgen hat jedenfalls durch diese aktuelle Entscheidung des BGH enorm an Gewicht gewonnen. Es wird Mühe und Aufwand bedeuten, sich gegen die jetzt erheblich erhöhten Gefahren vorzeitiger Kündigungen zu wappnen.