Kostenstabiles Bauen durch Risikomanagement bei Großbauprojekten.

 Wie durch eine neue Baukultur Verzögerungen und Kostensteigerungen vermindert werden können.

Kostenstabiles Bauen durch Risikomanagement bei Großbauprojekten, Insight von Markus Ruhmann und Prof. Dr. Peter Fissenewert, Rechtsanwälte der Kanzlei Buse Heberer Fromm

Elbphilharmonie Hamburg, Stuttgart 21, Flughafen Berlin-Brandenburg und das Landesarchiv Duisburg – nur einige Großbauprojekte, die Schlagzeilen machen. Was zu tun ist, wenn es darum geht, dass öffentliche Großbauprojekte immer teurer werden und länger dauern, beleuchtet folgender Beitrag.

Eine Studie der Hertie School of Governance Berlin aus dem Jahr 2015 zeigt, dass öffentliche Großprojekte im Sektor „Bau“ eine durchschnittliche Kostensteigerung von 44 Prozent aufweisen. Verzögerungen und Kostensteigerungen betreffen nicht nur den öffentlichen Bereich, sondern lassen sich auch bei Großbauprojekten von privaten Bauherren finden.

Damit Großbauprojekte (egal ob öffentlich oder privat finanziert) in Zukunft kostengerecht, termingetreu und effizient gebaut werden, hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur den Endbricht der „Reformkommission Bau von Großbauprojekten“ erstellt. Er deckt mit einem ganzheitlichen Blick auf die Projekte Schwachstellen auf und gibt Empfehlungen zur Minimierung von Risiken. Aber nicht nur der Bund hat sich mit den Problemen bei Großbauprojekten auseinandergesetzt. So hat die Freie und Hansestadt Hamburg, als bisher erstes Bundesland, eine Anweisung zum kostenstabilen Bauen veröffentlicht. Zwar beziehen sich die Ergebnisse und Handlungshilfen auf öffentliche Projekte, lassen sich aber auf private Projekte übertragen.

Die Ursachen von Bauzeitverzögerungen und Kostensteigerungen sind in der Regel fehlende Compliance, Konflikte zwischen den Projektpartnern oder mangelnde Fachkenntnisse. Diese finden sich in drei Phasen der Baurealisation: der Vorbereitung, der Planung und der Bauausführung.

Gut Ding will Weile haben

Verzögerungen und Kostensteigerungen bei Großbauprojekten deuten darauf hin, dass bereits die Vorbereitung und Planung strukturelle Mängel aufweisen. So werden Wünsche der Bauherren bei der Bedarfsermittlung nicht ausreichend berücksichtigt oder der Bauherr hat noch keine vollständige Vorstellung davon. Eine ungenaue oder fehlende Bedarfsermittlung führt in den fortlaufenden Phasen zu Planänderungen, die wiederum zu Verzögerungen und Kostensteigerungen führen. Deshalb sollte der Bauherr bereits in der Vorbereitungsphase gemeinsam mit einem Planungsteam (zum Beispiel Architekten, Bauingenieuren und Kosten- und Risikoexperten) den Projektbedarf möglichst genau analysieren. Die sich daraus ergebenden Anforderungen werden so detailliert ermittelt. Die Bedarfsplanung sollte sich dabei an der Deutschen Norm zur „Bedarfsplanung im Bauwesen“ orientieren. Die DIN sieht drei Schritte vor:

  • die methodische Ermittlung der Bedürfnisse des Bauherrn,
  • die zielgerichtete Aufbereitung der Bedürfnisse und
  • die Umsetzung in die bauliche Anforderung.

Dass die Bedarfsermittlung gerade bei großen Bauprojekten lange dauern kann, steht außer Frage. Die Ermittlung bringt erfahrungsgemäß zudem Kosten mit sich, denn Experten wollen bezahlt werden. Doch unter dem Strich sind diese Kosten gut investiert, wenn so Verzögerungen und nachträgliche Kosten von vorherein vermieden werden können.

Natürlich ist ein Großbauprojekt mit vielen Risiken verbunden, doch trotzdem wird das Risikomanagement häufig nicht oder nur wenig genutzt. Es gehört zu den Führungsaufgaben, die Risikopolitik vorzugeben und Risiken mittels eines geeigneten Compliance Management Systems vorzubeugen. Ohne ein Risikomanagement können Risiken nicht früh erkannt oder vermindert werden. Dies führt häufig dazu, dass der Kosten- und Terminplan nicht mehr eingehalten werden kann. Das Projektmanagement sollte über die gesamte Projektlaufzeit fortgeführt werden und alle Beteiligten mit einbeziehen.

Das Risikomanagement sollte sich bestenfalls an den Normen ISO 31000 und DIN EN 31010 orientieren. Es verfolgt folgende Ziele:

  • Chancen und Gefahren so früh wie möglich erkennen und Gegensteuerungsmaßnahmen erarbeiten,
  • eine höhere Qualität der Entscheidungsgrundlagen durch frühes Analysieren der Projektanforderungen,
  • Verbesserung der Kommunikation,
  • Erhöhung der Rechtssicherheit durch frühzeitiges Erkennen der Projektrisiken und einer fairen, effektiven und nachvollziehbaren Risikoverteilung in den Verträgen mit Planern und Baufirmen.

Die Ergebnisse des Risikomanagements müssen allen Beteiligten zugänglich gemacht werden. Die Einführung eines internen Berichtswesens ist ratsam. Dabei ist darauf zu achten, dass die komplexen Zusammenhänge der Entscheidungsträger in leicht lesbarer Form zur Verfügung gestellt werden.

Damit auch alle Projektbeteiligten in einem Boot sitzen, müssen Maßnahmen getroffen werden, die eine partnerschaftliche Zusammenarbeit fördern. Dies kann durch Festlegung gemeinsamer Ziele und Methoden der Zusammenarbeit sowie durch eine vertragliche Vereinbarung zur Übernahme von Risikokosten erlangt werden.

Erst planen, dann bauen

Die Planung umfasst die Vorplanung, die Entwurfsplanung und die Ausführungsplanung. Dabei kann es gerade bei komplexeren Bauprojekten häufig zu mangelnden Abstimmungen zwischen Architekten, Fachplanern und Auftraggebern kommen. Nicht abgestimmte Insellösungen Einzelner führen nicht zu Erfolg. Ziel muss es sein, eine lückenlose, detaillierte und widerspruchsfreie Planung zu erreichen. Um dahin zu kommen, müssen viele Entscheidungen getroffen werden. Genau hier liegt die Problematik: Oftmals hat der Entscheidungsträger Probleme Entscheidungen zu treffen, da die erforderlichen Informationen nicht in ausreichender Qualität und Quantität vorliegen. Da es kein Gesetz und keine Richtlinie gibt, die die Planung regeln, wird mit unterschiedlichen Grundlagen und Informationen gearbeitet.

Für ein teamorientiertes und kooperatives Planen bieten sich moderne, digitale Planungsmethoden wie das Building Information Modeling (BIM) an. Die Projektbeteiligten können mit BIM Leistungsverzeichnisse erstellen und Baustellenabläufe simulieren. Das ermöglicht eine gemeinsame Prüfung, ob Planungen kohärieren oder Alternativen sinnvoller wären. Daneben bietet die Nutzung von BIM Vorteile wie:

  • Kostensicherheit und Termintreue,
  • höhere Transparenz und
  • optimierte Kommunikationsprozesse.

Kurz gesagt: Mit BIM wird zuerst virtuell und erst dann real gebaut.

Ein weiterer Faktor für Kostensteigerungen liegt in der Vergabepraxis. Häufig wählt der Bieter das billigste, aber nicht das wirtschaftlichste Angebot. Das kann zu Qualitätseinbußen, zu Konflikten und zu vielen Nachträgen führen. Es müssen vorher Zuschlagskriterien entwickelt werden, die neben dem Preis weitere Auswahlkriterien berücksichtigen. Solche Kriterien können zum Beispiel Qualität, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit sowie Betriebs- und Folgekosten (wie beispielsweise Wartungskosten) sein. Anhand bewerteter Zuschlagskriterien kann dann der Bieter mit den meisten Punkten ausgewählt werden.

Einer für alle – alle für einen

Häufig sind Baustellen von Misstrauen und einem rauen Ton geprägt. Dies führt dazu, dass die Schnittstellen der einzelnen Gewerke nicht berücksichtigt und Abstimmungen nicht vorgenommen werden. Gerade das fehlende Verständnis für die unterschiedlichen Interessenslagen und für partnerschaftliche Zusammenarbeit fördern Konflikte und Konfrontationen. Streit ist quasi vorprogrammiert und verzögert den Bau. Die Entwicklung einer Projektkultur ist ratsam. So können sich alle Projektbeteiligten als gleichwertige Partner fühlen, die über die gleichen Informationen verfügen. Dazu können die Ziele als Präambel in Verträge aufgenommen werden. Mit Unterzeichnung der jeweiligen Verträge erkennen die Beteiligten die unterschiedlichen Motive, Interessen und Prozesse an und stimmen einer regelmäßigen Kommunikation zu.

Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf der Baustelle kann auch durch eine gemeinschaftliche, vorhabenbezogene Haftpflichtversicherung geschaffen werden. Die Projektbeteiligten haften damit solidarisch für alle Schadensfälle. Dies bewirkt, dass es bei einem Schadensfall nicht darauf ankommt, einen Schuldigen zu finden. Es besteht vielmehr ein gemeinsames Interesse an der Schadensbeseitigung.

Für den Fall, dass es doch zu Streitigkeiten unter den Projektbeteiligten kommt, ist es sinnvoll, eine außergerichtliche Streitbeilegung vertraglich zu vereinbaren. Eine Möglichkeit ist die Mediation, die durch das Mediationsgesetz gesetzlich geregelt ist. Durch einen Mediator können die Parteien auf freiwilliger Basis versuchen, eine einvernehmliche Einigung zu erzielen. Der Mediator ist dabei eine unabhängige und neutrale Person, die die Mediation lediglich leitet und zwischen den Parteien vermittelt. So können teure und langjährige Gerichtsverfahren vermieden und schneller ein Konsens erzielt werden.

Eine Bauverzögerung kann aber nicht nur durch Konflikte durch die Projektbeteiligten zustande kommen. Während der Bauphase macht sich auch eine fehlende oder mangelnde Bedarfsermittlung durch die Bauherren bemerkbar. Änderungs- und Sonderwünsche oder fehlende Posten im Leistungsverzeichnis haben nicht nur zur Folge, dass der Bau sich verzögert und teurer wird, besonders die ausführenden Gewerke geraten in Zeitnot. Häufig sind Monteure dann bereits für andere Projekte verplant, die nach dem eigentlichen Fertigstellungsdatum beginnen.

Handlungsempfehlung

Bei einem Großbauprojekt gilt es, viele verschieden Faktoren zu berücksichtigen. Außerdem ist ein Großbauprojekt immer mit Risiken verbunden, die im Vorfeld ermittelt und so gering wie möglich gehalten werden müssen. Mit Hilfe verschiedener Methoden können Verzögerungen und/oder zusätzliche Kosten frühzeitig erkannt und minimiert werden, so zum Beispiel durch:

  • ein geeignetes Projektmanagement,
  • eine lückenlose, detaillierte und widerspruchsfreie Planung,
  • den Einsatz neuer, digitaler Möglichkeiten wie BIM, mit dem bereits vor der Legung des ersten Steins virtuell gebaut und Planungsfehler und -konflikte schon im Vorfeld von den Projektbeteiligten erkannt und behoben werden können,
  • eine offene Kommunikationspolitik aller Beteiligten,
  • eine partnerschaftliche Zusammenarbeit und
  • eine Vereinbarung zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung.