Massenhafte, automatisierte DSGVO-Auskünfte aus ganz Deutschland?

 
Neues Online-Portal führt zu massenhaften DSGVO-Auskunftsersuchen - und trifft viele unbeteiligte Unternehmen

Person ist untereinen Berg von Akten (Zetteln) begraben. Die rechte Hand sticht aus den Akten heraus und streckt sich nach oben

Ein Online-Portal wirbt damit, über Auskunftsersuchen die Kontrolle über personenbezogene Daten zurückzugewinnen. Das Angebot ist sehr niederschwellig und erlaubt das kostenlose, automatisierte Versenden von Auskunftsersuchen an ganze Branchenlisten. Minimaler Aufwand für die Kunden des Portals, maximaler Aufwand für viele Unternehmen, die in keiner Beziehung zur (angeblich) betroffenen Person stehen.

Die ersten großen Dienstleister, die Datenschutz und das massenhafte Geltendmachen von Betroffenenrechten als Geschäftsmodell entdecket haben, sind schon wieder verschwunden. Nun schwingt sich ein neues Portal auf, über massenhafte Auskunftsersuchen eine Lösch-Flatrate zu etablieren.

Schon der Registrierungsprozess verleitet zu massenhaften, breit gestreuten Anfragen

Nutzer können sich mit Name, Anschrift und E-Mail-Adresse registrieren und suchen bereits im Anmeldeprozess Unternehmen aus, denen Sie Auskunftsersuchen schicken möchten. Das Portal bietet dabei hilfreich eine Liste der bekanntesten Unternehmen oder einzelne Branchen an. Für den Kunden ist es einfacher, alle Unternehmen der Liste auszuwählen, als sich Gedanken darüber zu machen, wem er tatsächlich ein Auskunftsersuchen schicken möchte. Wer nicht alle auswählt, muss die Unternehmen (bis zu 100) einzeln abwählen, um sich registrieren zu können. Warum also der Aufwand – kostet ja nix! Mit der Registrierung erhalten die so ausgewählten Unternehmen ohne weiteren Zwischenschritt sofort ein Auskunftsersuchen.

Auskunftsersuchen sind weitgehend unbrauchbar

Inhaltlich stellt das Schreiben die Empfänger vor Problem: Es enthält zur Identifizierung der Betroffenen Person nur Name, Anschrift und die bei der Registrierung angegebene E-Mail-Adresse. Für die Identifikation der betroffenen Person genügen diese Informationen oft nicht. Unternehmen werden in solchen Fällen weitere Informationen einholen, wie Art. 12 Abs. 6 DSGVO es auch vorsieht. Das Auskunftsersuchen behauptet schlicht, dies sei nur in Ausnahmefällen zulässig. Auch die Fragen sind teilweise schwer verständlich.

Große Unternehmen mögen mit automatisierten Auskunftsersuchen dieser Art routiniert und vor allem automatisiert umgehen können. Kleinere Unternehmen, die unverhofft auf einer Branchenliste des Portals zur einfachen Geltendmachung von Auskunfts- und Löschersuchen landen, sehen sich möglicherweise mit einer Vielzahl von – weitgehend unbrauchbaren – Auskunftsersuchen konfrontiert, mit denen sie dennoch umgehen und die sie grundsätzlich spätestens innerhalb der Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 DSGVO beantworten müssen, auch wenn sie in vielen Fällen mit der anfragenden Person nichts zu haben.

Den Inhalt des Auskunftsersuchens kennen die Nutzer nicht. Nur wenn sich ein Empfänger dem darin geäußerten Wunsch, nicht per E-Mail zu kommunizieren widersetzt und automatisch generierte Schreiben weiterleitet, erhalten sie selbst darin Einsicht.

Aufwand für die Unternehmen – Nutzen für den Betreiber

Ist es nicht im Sinne des Datenschutzes wünschenswert, wenn gerade das Recht auf Auskunft und das Recht auf Löschung maximal einfach und im besten Fall gegenüber allen Verantwortlichen, die personenbezogene Daten einer betroffenen Person verarbeiten, geltend gemacht werden können? Verheißt dies nicht (endlich!) einen Rückgewinn der Kontrolle über die eigenen Daten? Selbstverständlich stehen betroffenen Personen unter den Voraussetzungen der Art. 12-21 DSGVO Betroffenenrechte zu.

Ob dieses Vorgehen dem Datenschutz oder den betroffenen Personen nutzt, darf bezweifelt werden. Das Portal ermöglicht es den Nutzern, innerhalb von 1-2 Minuten Dutzende oder auch Hunderte von Unternehmen gleichzeitig anzuschreiben. Antwortet nur die Hälfte der (vermeintlichen) Verantwortlichen auf die Auskunftsersuchen, wird die (vermeintlich) betroffene Person von der Flut der Antworten übermannt. Zumal die meisten Antworten aus Rückfragen bestehen werden. Für die Portalnutzer ist dann wenig gewonnen, während der Portalbetreiber bei zahlreichen – oft unbeteiligten Unternehmen – genau die Personen von ihrer eigentlichen Arbeit abhält, nämlich den praktischen Datenschutz im Unternehmen zu verbessern. All dies, damit ein Portalbetreiber seine kostenpflichtige Leistung – Löschersuchen – in vielen Einzelfällen oder pauschal („Lösch-Flatrate“ für einige Tage oder als monatliches Abo) verkaufen kann. Der Betreiber hat daher keinerlei Interesse, die Anzahl der Auskunftsersuchen auch nur überschaubar zu halten. Die zu erwartenden massenhaften Löschersuchen dürften die Empfänger vor ähnliche Probleme stellen.

Fazit

Auskunftsersuchen müssen grundsätzlich fristgemäß beantwortet werden. Gerne helfen wir dabei, die Unternehmensprozesse so zu gestalten, dass sie auch mit massenhaften Auskunfts- und Löschersuchen umgehen und im Einzelfall auch Ausnahmen von der Auskunfts- oder Löschfrist in Anspruch nehmen können. Auch eine Abstimmung mit der zuständigen Aufsichtsbehörde kann in Einzelfällen sinnvoll sein.

Das Wichtigste kurz zusammengefasst

  • Wenn Unternehmen aktuell verstärkt Auskunftsersuchen von ihnen unbekannten Personen erhalten, kann dies daran liegen, dass das Unternehmen in die Branchenliste eines Online-Portals zur einfachen Geltendmachung von Betroffenenrechten aufgenommen wurde
  • Auch schlecht gemachte Auskunftsersuchen müssen grundsätzlich fristgerecht beantwortet werden
  • Unternehmen müssen Prozesse zum Umgang mit Betroffenenanfragen so gestalten, dass sie auch mit einer Vielzahl von Anfragen fertig werden.