Markenrecht: Der Fall Neymar.

 Bösgläubige Markenanmeldungen und „IP-Diebstahl“ stellen nicht nur für Prominente, sondern besonders auch für digitalisierungsaffine Unternehmen ein Problem dar.

Markenrecht: Der Fall Neymar, Insight von Gösta Schindler, Rechtsanwalt der Kanzlei Buse Heberer Fromm

Die Gefahr des „IP-Diebstahls“ und die daraus resultierende Gefahr, Märkte nicht oder nicht rechtzeitig zu erschließen, wird unterschätzt. Gefährdet sind gerade die Unternehmen, die in ihrer Wachstumsphase nicht rechtzeitig eine internationale IP-Schutzstrategie entwickeln.

Ein portugiesischer Privatmann ist (vorerst) mit dem Versuch gescheitert, die Wortmarke NEYMAR für Bekleidung, Schuhe und Kopfbedeckungen für sich einzutragen. Das Europäische Gericht stellte in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2019 (Az. T 795/17) fest, dass diese Anmeldung bösgläubig erfolgt sei. Der Anmelder wolle, so das Gericht, am Ruf und damit am Marktwert des international bekannten Fußballstars Neymar unlauter partizipieren.

Der Hintergrund zum Fall NEYMAR

2012 meldete ein portugiesischer Privatmann die Wortmarke NEYMAR an und wollte so Schutz für Bekleidung, Schuhe und Kopfbedeckungen beanspruchen. Der weltbekannte brasilianische Fußballspieler gleichen Vornamens ging gegen diese Anmeldung vor. Er beantragte gestützt auf eine Vorschrift der Unionsmarkenverordnung, die bösgläubige Markenanmeldungen verbietet, die Löschung. Der Begriff der „Bösgläubigkeit“ ist nicht gesetzlich definiert. Die europäischen Gerichte (der sich auch deutsche Gerichte angeschlossen haben) bewerten Bösgläubigkeit anhand einer Gesamtschau aller Details des Einzelfalls unter Berücksichtigung folgender grober Prüfungspunkte:

  • Wusste der Anmelder zum Zeitpunkt der Anmeldung, dass ein Dritter das angemeldete oder ein sehr ähnliches Zeichen in einem Mitgliedsstaat der EU für identische oder ähnliche Waren/Dienstleistungen verwendet und damit die Gefahr von Verwechslungen bestehen kann? Hätte der Anmelder diese Umstände kennen müssen?
  • War es die Absicht des Anmelders, dem Dritten (Verwender des identischen oder verwechslungsfähig ähnlichen Zeichens) die Verwendung seines Zeichens zu verbieten? 
  • Welchen rechtlichen Schutz genießen das Zeichen des Dritten und das Zeichen, dessen Anmeldung begehrt wird?

Die Beweislast dafür, dass die Anmeldung bösgläubig erfolgte, liegt dabei nach allgemeinen Prozessgrundsätzen bei demjenigen, der diesen Löschungsgrund geltend macht.

Der Anmelder der Wortmarke verteidigte sich vorliegend gegen den Vorwurf der Bösgläubigkeit mit dem Argument, zum Zeitpunkt der Markenanmeldung (2012) nicht gewusst zu haben, dass Neymar außerhalb Brasiliens, wo er damals für den Verein FC Santos spielte, bekannt war. Die Auswahl des Zeichens NEYMAR für seine Anmeldung sei purer Zufall gewesen.

Die Anwälte des Fußballspielers Neymar traten dem entgegen und legten Zeitungsartikel vor, aus denen sich ergab, dass Neymar bereits zum Zeitpunkt der Markenanmeldung internationale Beachtung gefunden hatte. Auch ein Transfer nach Europa wurde damals bereits intensiv diskutiert und stark vermutet. Obendrein zeigte sich, dass der Anmelder zusammen mit der Anmeldung von NEYMAR eine weitere Marke namens IKER CASILLAS angemeldet hatte – ebenfalls der Name eines nicht minder prominenten Fußballspielers.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Europäische Gericht rezitierte zunächst die oben dargestellten Kriterien zur Bewertung einer (behauptet) bösgläubigen Markenanmeldung. Dabei stellte es deutlich fest, dass dem Anmelder bei Anwendung dieser Kriterien unlautere Absichten – Bösgläubigkeit – bei der Markenanmeldung unterstellt werden konnten. Es sei vor dem Hintergrund der Presseberichterstattung ausgeschlossen, dass er den Fußballer Neymar nicht gekannt habe. Er habe daher davon ausgehen müssen, dass Neymar auch in Europa bekannt sei (oder werden würde). Er habe den mit dem Namen assoziierten Wert zu seinen Zwecken auf seine Marke und die davon beanspruchten Produkte übertragen wollen. Die parallele Anmeldung der Marke IKER CASILLAS bestätigte das Gericht in der Annahme, dass der Anmelder sich im weltweiten Fußballgeschehen auskannte. Die Markenfindung, so das Gericht, konnte kein Zufall gewesen sein.

Das Gericht betont in seinem Urteil, dass die Schlussfolgerungen bezüglich der subjektiven Motivationselemente auf objektiven Fakten (Zeitungsberichten, dem Verhalten des Anmelders) beruhten.

Wettlauf um Marken und das Risiko der Marktzutrittssperre als Thema der Digitalisierung

Diese Entscheidung beleuchtet ein Thema, das keineswegs nur einige wenige Stars betrifft.

Bösgläubige Markenanmeldungen stellen ein reales Problem und Risiko für alle wachsenden Unternehmen dar. Dies betrifft physisch expandierende Unternehmen genauso wie lokal agierende, aber über Landesgrenzen hinweg erfolgreiche Unternehmen. Je digitaler Unternehmen werden und damit (gewollt) ihre Sichtbarkeit auch international erhöhen, desto größer wird die Gefahr, der sich Unternehmen damit auch im Markenrechtsbereich aussetzen.

Der Ausgangspunkt ist stets derselbe: Eine Person oder ein Unternehmen haben in einem bestimmten Segment und – zunächst – geographisch begrenzt Erfolg. In der Euphorie des Erfolges und mit den vielen, schnell zu treffenden Entscheidungen geraten Rechtsthemen, die keine unmittelbar spürbaren Auswirkungen haben, außer Acht. Eine international ausgerichtete Strategie zum Schutz des Intellectual Property (IP), also der Marken, Designs und Patente, ist als Thema oft überhaupt nicht gesetzt. Selbst wenn IP-Schutz auf einer Agenda erscheint, wird er wegen der nicht unerheblichen Kosten meist zuletzt bearbeitet.

Das ist ein Fehler, der Unternehmen Märkte verschließt, ihnen damit Wachstumsmöglichkeiten nimmt und im Fall von Prominenten der Erschließung wertvoller Einnahmequellen entgegensteht.

Denn anders als das Kopieren physischer (Marken-)Produkte, das viel Geld, Produktions- und Vertriebskapazitäten erfordert, ist die Anmeldung von vielem IP, wie zum Beispiel Marken und Designs, rasch durchgeführt und kostengünstig. Der „IP-Dieb“ muss lediglich schnell sein, denn das Beobachten von Branchen und die Recherche, welche Unternehmen, Geschäftskonzepte oder Personen im In- und Ausland gerade erfolgreich sind, ist heute leichter denn je. Mit zunehmender Digitalisierung und der damit auch gewünschten Sichtbarkeit von Unternehmen präsentiert sich potentielles Diebesgut – also insbesondere Marken, Designs und Konzepte – auf dem digitalen Silbertablett. Der „IP-Dieb“ muss nur zugreifen. Er recherchiert – online –, ob das jeweilige IP in wirtschaftsstarken Märkten geschützt ist und veranlasst, wenn sich nichts findet, die Anmeldung.

Das Unternehmen, das sich nach dem Wachstum im Heimatmarkt für sein etabliertes Produkt oder seine Dienstleistung neue Märkte erschließen möchte, oder die Prominente, die sich nach zunehmender Bekanntheit zur Monetarisierung ihres Namens entschließt, stößt jäh an eine Grenze. Markenschutz oder der Schutz von Designs in Form von formalen Registerrechten ist blockiert, die Expansion stockt. Vielleicht springen sogar Investoren ab, wenn das IP, das den Wert des Unternehmens oder einer Person widerspiegelt, für eine Expansion nicht (sofort) zur Verfügung steht. Nicht jedes Unternehmen und nicht jede Person hat die Zeit und die finanziellen Ressourcen wie Neymar, über sieben Jahre hinweg einen Rechtsstreit zu führen. Viel wichtiger ist aber auch, dass nicht in jedem Fall eine Dokumentationslage besteht, die wie im Fall Neymar die Bösgläubigkeit eines Anmelders so gut belegen kann und damit gute Erfolgsaussichten für einen Rechtsstreit begründet.

Gerade Unternehmen mit nur lokalem beziehungsweise länderspezifischem Erfolg haben oft Schwierigkeiten nachzuweisen, dass sie auch außerhalb ihres Landes (und gegebenenfalls Kontinentes) bekannt sind und einen Goodwill aufgebaut haben, den sich der „Markendieb“ zu eigen machen möchte. Dies noch mit objektiven Drittquellen und nicht nur unternehmensinternen Daten zu belegen, wird in vielen Fällen schwer.

Das Unternehmen oder der Prominente befindet sich dann in einer Defensivposition mit ungewissem Ausgang. Werte können nicht geschöpft werden, es drohen sogar negative Auswirkungen im Kernmarkt.

Die Lösung: Digitalisierung und Expansion erfordern eine IP-Strategie

Unternehmen und Unternehmer müssen eine internationale IP-Strategie als Versicherung für ihre Unternehmenszukunft begreifen. Wie man eine Versicherung abschließt, bevor das Risiko eintritt, so dürfen die Digitalisierung von Unternehmen und die Expansion nicht ohne IP-Strategie erfolgen.

Noch bevor ein Unternehmen oder ein Unternehmer die Schwelle der internationalen Sichtbarkeit und des Erfolgs erreicht hat, die es zum Ziel für „IP-Diebe“ macht, müssen Schutzrechte gesichert und eine belastbare, belegbare Dokumentationslage für den IP-Schutz im Rahmen der weiteren Expansion geschaffen werden. Welche Schritte im Einzelnen zu gehen sind, hängt vom Unternehmen, den Märkten und der Expansionsstrategie ab. Eine sinnvolle Einheitslösung gibt es nicht.

Wir bewerten die IP-bezogenen Risiken in Ihrer Unternehmensentwicklung und entwickeln gemeinsam mit Ihnen Schutzstrategien für die Werte Ihres Unternehmens.