Fristlose Kündigung eines Franchisevertrages in der Systemgastronomie.

1. „Kleinvieh macht auch Mist“

Mit Urteil vom 14.10.2014 hat das OLG München  (Az. 7 U 2604/13) die Entscheidung der Vorinstanz (LG München I, Az. 10 HK O 17545/129) bestätigt, wonach eine vom Franchisegeber ausgesprochene fristlose Kündigung rechtmäßig war. Die Kündigung basierte auf der Feststellung einer Vielzahl überwiegend marginaler Pflichtverletzungen des Franchisenehmers.

Ein Franchisenehmer des Systems „Burger King“ hatte auf Schadensersatz geklagt, weil er die außerordentliche Kündigung seines Franchisevertrages aufgrund der vom Franchisegeber anlässlich von Betriebsprüfungen festgestellten und von ihm weitgehend bestrittenen Mängel für ungerechtfertigt hielt. In dem mit einer Laufzeit von 20 Jahren geschlossenen Franchisevertrag waren Regelungen zur Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung vorgesehen. Aus dem Wort „insbesondere“ folgerte das Gericht, dass die dort genannten Gründe nicht abschließend seien, sondern jedenfalls die Vorschrift des § 314 BGB zur Anwendung komme und damit eine Gesamtschau vorzunehmen sei. Diese könne dazu führen, dass einzelne Pflichtverstöße, die jeweils nicht die Wesentlichkeitsgrenze überschreiten oder für sich genommen keinen vertraglich vorgesehenen außerordentlichen Kündigungsgrund erfüllen, in der Summe eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Franchisegeber unzumutbar machen.

Zu diesem Ergebnis gelangte das Gericht dann auch in dem entschiedenen Fall und lehnte die Schadensersatzforderung des Franchisenehmers ab. Das Interesse des Franchisenehmers am Fortbestand des Vertragsverhältnisses habe angesichts einer Gesamtwürdigung der festgestellten Pflichtverletzungen hinter dem Interesse des Franchisegebers zurückzutreten, potentielle Schädigungen des Systems und anderer Franchisenehmer abzuwenden.

Bei der Würdigung der festgestellten Pflichtverstöße stellte das Gericht fest, es habe weder eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung vorgelegen, noch sei einer der Verstöße für sich allein genommen ausreichend, um die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Jede der festgestellten Pflichtverletzungen sei aber in die Gesamtwürdigung einzubeziehen:

  • Fehlendes Tragen einer Kopfbedeckung durch eine Mitarbeiterin in der Küche
  • Tragen einer privaten Bluse statt der systemseitig vorgeschriebenen Kleidung
  • Tragen einer privaten Krawatte (statt Dienstkrawatte)
  • Wiederholte Ungenauigkeiten beim Umgang mit der Temperaturmessung der Hackfleischbrätlinge
  • Lagerung der Greifzange, mit der rohe Fleischprodukte aus der Tiefkühlung entnommen werden, auf statt in der Tiefkühlung
  • Wechseln eines Mitarbeiters zwischen Kassenbereich und Küche ohne Händewaschen
  • Fehlendes Schichtführerzertifikat
  • Fehlen der kleinsten Bürste im Reinigungsset für die Reinigung der Shake ‑ /Eismaschine
  • Wiederholt fehlendes Angebot von stillem Wasser
  • Verwenden von Tomatenendstücken entgegen systemseitiger Vorgabe
  • Bewerben von (ausverkauften) Sommerdesserts im Winter

Nach Überzeugung des Gerichts begründeten die genannten Pflichtverletzungen eine Verletzung der Einheitlichkeit des Systems und eine Gefahr der Rufschädigung.

Der Einwand des Franchisenehmers, der Franchisegeber habe einem anderen großen Franchisenehmer (Yi-Ko) trotz erheblicher und in der Öffentlichkeit bekannt gewordener Mängel nicht gekündigt und deshalb sein Ermessen in fehlerhafter Weise ausgeübt, überzeugte das Gericht nicht. Ungeachtet der Frage, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung überhaupt einer Kündigung in dieser privatrechtlichen Beziehung entgegenstehen könne, habe sich der bekannt gewordene Vorfall lange nach den hier gegenständlichen Vorfällen ereignet, so dass insoweit keine Rückschlüsse auf die Ermessensausübung möglich seien.

2. Beim Markenimage hört der Spass auf

Mit der vorliegenden Entscheidung ist einmal mehr bestätigt, dass die konsequente Einhaltung systemseitiger Vorgaben – auch solcher, die isoliert betrachtet nicht unbedingt systemrelevant sind – ein wesentliches berechtigtes Interesse von Franchisegebern ist. Wird dieses Interesse in mehrfacher Hinsicht verletzt, ist eine fristlose Kündigung möglich. Eine Gefährdung des Markenimage muss ein Franchisegeber nämlich auch unter Berücksichtigung der franchisenehmerseitigen Interessen (z.B. Amortisation seiner Investitionen) nicht hinnehmen. Dies gilt umso mehr, wenn die verbleibende Restlaufzeit des Vertrages noch lang ist (im vorliegenden Fall noch ca. 11 Jahre), da die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bei Vorliegen von Kündigungsgründen umso unzumutbarer wird, je länger die verbleibende Restlaufzeit ist.

Das Gericht hat in seiner Gesamtwürdigung auch die hohe Sensibilität der Öffentlichkeit im Hinblick auf den Umgang mit bestimmten Lebensmitteln (hier: Milchprodukte und Hackfleisch) berücksichtigt. Dies ist angesichts der Gefahr einer Rufschädigung für das gesamte System – selbst wenn konkrete Gesundheitsgefährdungen nicht nachgewiesen werden können – auch nur interessengerecht. Denn Skandalmeldungen, in denen zumeist nicht danach differenziert wird, ob es sich um einen Eigenbetrieb des Franchisegebers oder einen Franchisebetrieb handelt, können zu erheblichen Imageschädigungen des gesamten Systems und damit zu Umsatzeinbußen bei allen Franchisepartnern führen.

3. Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser – Nachweis ist am besten

Die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten eines Franchisegebers sind auf regelmäßige Betriebsprüfungen der Franchisebetriebe beschränkt. Insoweit kommt es umso mehr auf die penible Überwachung der hygienerelevanten Vorgaben durch den Franchisenehmer bzw. durch den von ihm eingesetzten Betriebsleiter an. Werden hier bei wiederholten Prüfungen gleich mehrere Verstöße festgestellt, kann davon ausgegangen werden, dass der betreffende Franchisenehmer jedenfalls den ihm obliegenden (Überwachungs-)Pflichten nicht in dem Maße nachkommt, wie es angesichts der Gefahr einer Rufschädigung mit verheerenden Folgen für das gesamte System angemessen wäre.

Für eine auf Langfristigkeit und Partnerschaftlichkeit angelegte Franchisebeziehung muss die außerordentliche Kündigung das äußerste Mittel bleiben. Es müssen also die zur Kündigung führenden Umstände erheblich und nachweisbar sein.

Franchisegebern ist daher zu empfehlen, die anlässlich von Betriebsprüfungen festgestellten Mängel detailliert zu erfassen und den entsprechenden Report auch gegenzeichnen zu lassen. Beschränkt der Franchisegeber sich hingegen darauf, dem Franchisenehmer Tipps zur Verbesserung zu geben, ohne dabei zuvor die Pflichtverletzungen auch als solche klar zu bezeichnen, läuft er Gefahr, die Vielzahl von Einzelverstößen nicht in dem erforderlichen Umfang nachweisen zu können.