Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 12.01.2022 die Diskussionen um die Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern von Gewerbeeinheiten in Folge der staatlich angeordneten Betriebsschließungen beendet.
Der vom BGH jetzt entschiedene Fall betraf eine angemietete Gewerbefläche eines Textildiscounters. Dieser musste nach einer staatlich angeordneten Verfügung ab Mitte März 2020 schließen. Infolge der Betriebsschließung zahlte der Mieter für den Monat April keine Miete. Der Vermieter erhob daraufhin Zahlungsklage vor dem OLG Dresden. So wollte er die Zahlung der vollen Miete erreichen. Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 24. April 2021 (Az.: 5 U 1782/20) den Mieter zur Zahlung der Hälfte der vereinbarten Miete verurteilt. Zur Begründung führte das Gericht in Dresden an, dass die staatliche Betriebsschließung weder der Risikosphäre des Vermieters noch des Mieters eindeutig zugeordnet werden könnte. Beide Parteien legten dagegen Revision beim BGH ein.
Nach Ansicht des Senats stellen die staatlich angeordneten Betriebsschließungen keinen Mangel des Mietgegenstandes dar. Insbesondere für den Fall, dass die angemietete Gewerbefläche vom Mieter nicht für den vertraglich vereinbarten Mietzweck genutzt werden kann. Der BGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass die staatlich angeordneten Betriebsschließungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht per se der Risikosphäre des Mieters (sog. Verwendungsrisiko) zuzuordnen sind. Vielmehr würden die von staatlicher Seite angeordneten und unumgänglichen Betriebsschließungen grundsätzlich den Anwendungsbereich der Störung der Geschäftsgrundlage eröffnen.
Darf der Mieter die Miete mindern?
Nicht zwangsläufig. Der BGH sagt dazu, dass die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage nicht zwangsläufig zu einer Vertragsanpassung – der Herabsetzung der Höhe der Miete – führt. Es müssen jeweils alle „Umstände des Einzelfalls“ berücksichtigt werden. Insbesondere verbietet sich eine pauschale Herabsetzung der Miete um 50 Prozent. So hatten teilweise Instanzgerichte entschieden. Sie hatten die pauschale hälftige Kürzung der Miete mit dem Argument begründet, dass die staatlichen Betriebsschließungen keiner Risikosphäre eindeutig zuzuordnen ist. Nach der Entscheidung des BGH widerspricht diese pauschale Vorgehensweise dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers.
Die „Umstände des Einzelfalls“ entscheidend
Die Umstände des Einzelfalls, die es für den Mieter unzumutbar machen würden, die vollständige Miete zu zahlen, obwohl er den Mietgegenstand nicht für den vertraglich vereinbarten Mietzweck nutzen kann, können vielschichtig sein. Der BGH führt aus, dass vor allem der Umsatzrückgang des Mieters im konkreten Mietobjekt berücksichtigt werden muss. Etwaige Umsatzrückgänge des verbundenen Konzerns werden hingegen nicht berücksichtigt. Sie betreffen nicht den konkreten Einzelfall. Ebenfalls zu berücksichtigten sind die vom Mieter ergriffenen Maßnahmen oder die Maßnahmen, die der Mieter hätte ergreifen können, um drohende Verluste zu verhindern. Soweit der Mieter staatliche Ausgleichszahlungen oder Zahlungen durch Versicherungen aufgrund der Betriebsschließung erhalten hat, sind auch diese zu berücksichtigten. Eine, wie von den Instanzgerichten teilweise geforderte, drohende Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz bedarf es nach Ansicht des Senats nicht.
Praxishinweis / Handlungsempfehlung
Einer pauschalen Herabsetzung der Miete um 50 Prozent aufgrund pandemiebedingter staatlicher Betriebsschließungen hat der BGH eine deutliche Absage erteilt. Es bleibt also den Parteien überlassen, unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls, eine individuelle Lösung zu finden. Den Parteien ist zu empfehlen, einvernehmliche Vereinbarungen über Mietkürzungen für den Zeitraum von coronabedingten Betriebsschließungen zu vereinbaren. Grundlage für die Vereinbarung ist, dass der Mieter die negativen Auswirkungen der Betriebsschließungen ausreichend und konkret darlegen kann.