In letzter Instanz hat das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung am 09. November 2021 die Entscheidung des die gegenteilige Ansicht vertretenden Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Az.: 10 B 9.18) aufgehoben. Geklagt hatte eine Immobiliengesellschaft gegen das Vorgehen des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, welches bei einem avisierten Immobiliendeal unter Beteiligung der Immobiliengesellschaft über ein Mietshaus im Bergmannkiez im Jahre 2017 eingeschritten ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich einer erlassenen Verordnung, welche dem Schutz der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen, sog. Milieuschutzsatzung, dient. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts übernahm eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft das Miethaus mit 20 Wohnungen und 2 Gewerbeeinheiten im Milieuschutzgebiet Chamissoplatz.
Das Bezirksamt begründete die Ausübung ihres Vorkaufsrechts damit, dass der status-quo der Zusammensetzung der derzeitigen Einwohner des Milieus auch in Zukunft geschützt werden müsse. Zwar bestehe durch die Gewährung von Fördermitteln für den Vermieter eine Mietpreisbindung bis zum Jahr 2026. Nach Ende der Preisbindung sei aber mit einer erheblichen Mietpreissteigerung und in der Folge mit einer Verdrängung der jetzigen Mieterinnen und Mieter bis hin zu einer lukrativen Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu rechnen. In den ersten beiden Instanzen blieb die Klage der Immobiliengesellschaft erfolglos. Vor dem Bundesverwaltungsgericht hatte die Klage nunmehr Erfolg.
Nach Ansicht der Leipziger Richter sei die reine Erwartung wie ein Käufer zukünftig mit der Wohnimmobilie umgehen werde kein geeigneter Maßstab zur Begründung der Ausübung des Vorkaufsrechts.
Die Begründung des Bezirksamts, weshalb die Ausübung des Vorkaufsrechts unumgänglich sei, hält nach der Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg durfte das kommunale Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht ausüben, da dessen Ausübung nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB ausgeschlossen war. Nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen und/oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 BauGB aufweist. Diese Voraussetzungen lagen vor, sodass die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen war.
Eine weitreichende Entscheidung für den Berliner Immobilienmarkt
Das Land Berlin hat seit dem Jahr 2015 mehr als 11.000 Wohnungen durch die Ausübung des Vorkaufsrechts, insbesondere in den Bezirken Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln, erworben.
Das kommunale Vorkaufsrecht – ein zahnloser Tiger?
Mit dem Urteil stellten die Leipziger Richter ausdrücklich klar, dass die Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts kein Allheilmittel gegen die wachsende Diskrepanz zwischen steigendem Bevölkerungszuwachs und mangelndem bezahlbarem Wohnraum sei.
Es bleibt abzuwarten inwieweit die Entscheidung die Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts in Berlin und anderen Kommunen beeinflussen wird. Die Befürchtung, dass durch die Entscheidung eine Vielzahl an betroffenen Immobiliendeals nunmehr rückabgewickelt werden müssten, ist jedoch gering. Denn nach Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts hätten die Betroffenen aktiv innerhalb einer Frist von vier Wochen ein Rechtsmittel gegen die Ausübung einlegen müssen. Davon ist in der Vielzahl der betroffenen Fälle nicht auszugehen.
Potenzielle Investoren/Käufer sollten nach der eindeutigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für den Fall, dass das Land/die Kommune von der Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts Gebrauch machen will, das Vorliegen der Voraussetzungen rechtssicher innerhalb der Rechtsmittelfrist überprüfen lassen.