CE-Kennzeichen schützen nicht vor Wettbewerbsverstoß.

 Die erfolgreiche CE-Zertifizierung eines Medizinproduktes oder Heilmittels entbindet nicht davon, die Richtigkeit von Werbeaussagen gesondert nachzuweisen.

CE-Kennzeichen schützen nicht vor Wettbewerbsverstoß, Insight von Gösta Schindler, Rechtsanwalt der Kanzlei Buse Heberer Fromm

Gesundheitsbezogene Werbung unterliegt dem „Strengeprinzip“

Gerichte messen Werbung für Medizinprodukte und Heilmittel an einem besonders strengen Maßstab. Wirksamkeitsaussagen (bspw. „bekämpft 100 % aller Bakterien“) beziehungsweise gesundheitsbezogene Angaben (z. B. „…fördert die Vitalität“) müssen nachweisbar sein. Dazu sind – je nachdem, worauf sich die Werbeaussage inhaltlich bezieht – zumeist Studien notwendig. Diese Studien müssen nach anerkannten wissenschaftlichen Prinzipien durchgeführt werden.

CE-Kennzeichnung ersetzt keine wissenschaftlichen Wirksamkeitsstudien

In einem nun veröffentlichten Urteil (Az. 2 U 154/16 vom 8. Juni 2017) hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart klargestellt, dass sich Unternehmen dieser Nachweishürde nicht dadurch entziehen können, dass sie auf die erfolgreiche CE-Zertifizierung des beworbenen Produktes verweisen.

Im konkreten Fall ging es um einen „Zeolith“ genannten Stoff, dem in einer Produktwerbung eine entgiftende (Detox-)Wirkung zugeschrieben wurde. Die behauptete Wirksamkeit des Stoffes ist wissenschaftlich nicht unumstritten. Der Werbende hatte auf die abweichenden Meinungen zur Wirksamkeit des Zeolith aber nicht hingewiesen. Die Klägerin rügte dieses Versäumnis als Wettbewerbsverstoß, da die Beklagte auch keine wissenschaftlichen Nachweise für die von ihr behaupteten Wirkungen erbracht hatte. Die Beklagte stellte sich dagegen auf den Standpunkt, dass ihre Zeolith-haltigen Produkte CE-geprüft seien. Weiterer Studien zum Nachweis der Wirkungen ihres Produktes habe es daher nicht bedurft.

Die Auffassung der Beklagten ließ das Gericht nicht gelten. Es führte aus, dass die CE-Konformitätsbewertung weder ein behördliches Zulassungsverfahren darstellt, noch den Charakter eines Verwaltungsaktes einer Behörde hat, denn die sogenannten „benannten Stellen“, die Konformitätsprüfungen durchführen, sind private Unternehmen. Die von diesen Unternehmen durchgeführten Prüfungen sind im Ergebnis Plausibilitätsprüfungen, die im Übrigen nur einzelne Aspekte, beispielsweise eines Herstellungsverfahrens, betreffen. Die Überprüfung einer (beworbenen) therapeutischen Wirksamkeit eines Produktes erfolgt nicht.

Das Gericht sprach ein Verbot von Werbung für das Zeolith-haltige Produkt aus.

Relevanz für die Praxis

Das Urteil des OLG ist inhaltlich nicht überraschend, da eine beständige Rechtsprechung zum (begrenzten) Aussagegehalt von CE-Kennzeichnungen besteht. Die Entscheidung stellt aber eine wichtige Erinnerung für Hersteller und Vertreiber von Medizinprodukten und Heilmitteln dar: Sie müssen ihre Werbeaussagen mit Bedacht wählen und – im Fall einer möglicherweise auch bewusst zugespitzt formulierten Wirksamkeitsaussage – darauf achten, dass hinreichende, wissenschaftlich tragfähige Belege dafür vorliegen.

Dies gilt auch, wenn der Vermarktung des Produktes Zertifizierungsverfahren vorausgegangen sind, denn wie auch im hier beschriebenen Fall wird ein Zertifizierungsprozess zumeist nicht jede Eigenschaft oder Wirksamkeit, die werbemäßig herausgestellt wird, zum Gegenstand gehabt haben.

Die Risikoüberprüfung und -absicherung vor Vermarktungsstart ist insbesondere dann unumgänglich, wenn die kritischen Aussagen auf Verpackungsmaterial angebracht werden. Sollte ein Wettbewerber einen Werbeverstoß erfolgreich rügen, müssten nämlich alle Verpackungen umgestaltet oder ersetzt werden. Das Schadensrisiko ist immens und rechtfertigt insofern auch zur Risikominimierung vorab sicherzustellen, dass Werbeaussagen ausreichend abgesichert sind.

Hinweis: Das OLG hat die Berufung gegen die Entscheidung nicht zugelassen. Dagegen wandte sich die Beklagte mit dem Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde an den Bundesgerichtshof. Das Verfahren ist dort noch anhängig (Az. I ZR 119/17).