Neun Gründe für das UN-Kaufrecht.

Neun Gründe für das UN-Kaufrecht, Insight von Johannes Brand, Rechtsanwalt der Kanzlei Buse Heberer Fromm

Der reflexartige und unbedachte Ausschluss des UN-Kaufrechts ist oft ein Fehler. Wir zeigen neun Gründe, die für das UN-Kaufrecht sprechen.

Wie aus Reflex schließen Rechtswahlklauseln in internationalen Kauf- und Lieferverträgen das UN-Kaufrecht aus. Die unbekannte Materie verleitet zu einer irrationalen Abwehrhaltung. Die Auflistung der folgenden neun Gründe für das UN-Kaufrecht sollen das ändern, denn wer das UN-Kaufrecht ohne Prüfung ausschließt, gibt völlig ohne Not eine absolut komfortable Position auf.

1. Das UN-Kaufrecht gilt in 94 Ländern

Das UN-Kaufrecht (auch Convention on the International Sale of Goods oder CISG) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der von der UN Commission on the Intrational Trade Law (UNCITRAL) ausgearbeitet wurde. Diesen völkerrechtlichen Vertrag haben mittlerweile 94 Staaten unterschrieben und ratifiziert, also in ihr nationales Recht übertragen. Anwendbar ist es immer dann, wenn zwei Vertragsparteien aus Mitgliedsstaaten einen Kaufvertrag schließen.

Ein Blick auf die Karte der Mitgliedsstaaten zeigt, dass fast alle für Deutschland wichtigen Exportländer Mitgliedsstaaten des UN-Kaufrechts sind. Mehr als 80 Prozent der deutschen Exporte gehen in Staaten, die sich dem UN-Kaufrecht angeschlosssen haben.

2. (Fast immer) Geltung für den deutschen Exporteur

Darüber hinaus – und häufig missachtet – ist es auch dann anwendbar, „wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen“. Diese Regeln des internationalen Privatrechts sind innerhalb der EU vereinheitlicht. Danach gilt (fast) immer das Recht des Exporteurs (Verkäufers). Somit ist das UN-Kaufrecht jedenfalls für den deutschen Exporteur in der EU schon kraft Gesetzes immer anwendbar.

Mit dem Beitritt Portugals zum CISG (effektiv ab 01.10.2021) ist Irland übrigens der einzige EU-Mitgliedsstaat, der nicht CISG-Vertragsstaat ist. Aber auch in Fällen, in denen der deutsche Exporteur an einen irischen Importeur liefert, gilt das CISG kraft Gesetzes. Für das Vereinigte Königreich, das mit Ablauf des 31.12.2020 seinen Austritt aus der EU vollzogen hat, gilt eine Sondersituation, die ich in meinem Brexit-Artikel zum anwendbaren Recht und im Epilog nach Abschluss des Brexit-Abkommens geschildert habe.

3. Verhandlungen mit ausländischen Vertragspartnern

Das UN-Kaufrecht bietet wegen seiner Verbreitung eine deutlich bessere Durchsetzbarkeit in Verhandlungen mit ausländischen Vertragspartnern. Welcher kroatische, argentinische oder australische Vertragspartner wird sich schon ohne nähere Prüfung auf die Anwendbarkeit des deutschen Kaufrechts (BGB, HGB) einlassen? Wenn man dem Vertragspartner aber erklärt, dass das UN-Kaufrecht eine Alternative darstellt, die gleichermaßen deutsches sowie kroatisches, argentinisches beziehungsweise australisches Kaufrecht darstellt, lässt sich anders verhandeln –vor allem, weil das UN-Kaufrecht in sechs offiziellen Sprachen und inoffiziell auch in den Amtssprachen fast aller Mitgliedsstaaten erhältlich ist.

4. Rechtssicherheit des UN-Kaufrechts

Wer die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart, fühlt sich sicher, doch die Sicherheit ist trügerisch. Wer kann schon garantieren, dass die eigene Rechtswahl auch weltweit durchsetzbar ist?

Grundsätzlich wendet jeder Richter sein eigenes Zivilprozessrecht und sein eigenes Internationales Privatrecht an. Bei einer Klage in Deutschland wird sich das Ergebnis mit einigermaßen großer Sicherheit voraussagen lassen. Doch wer gibt dem Exporteur die Sicherheit, dass er in Deutschland verklagt wird? Eine Klage in Argentinien, Brasilien, Kanada oder Japan kann der Exporteur mit oder ohne Gerichtsstandsvereinbarung schnell kassieren. Die Rechtswahl beurteilt sich dann nach den dortigen Regeln und ist möglicherweise unwirksam.

Gleichzeitig hätte der Exporteur bequem auf die Geltung des UN-Kaufrechts vertrauen können, das auch in Brasilien, Kanada und Japan gilt und außerdem autonom – also weltweit möglichst einheitlich – ausgelegt wird. Hierauf vor dem Hintergrund aller internationalrechtlichen Unwägbarkeiten zu verzichten, ist fahrlässig.

Insbesondere geht das CISG (Convention on the International Sale of Goods, also Internationales Kaufrecht) aber als Staatsvertrag auch nationalem Recht vor. Der Verwender des CISG bleibt von undurchsichtigen Gesetzesänderungen im Ausland verschont. Viel mehr Rechtssicherheit kann man im Auslandsgeschäft nicht erreichen.

5. Ausschluss schwierig – die große AGB-Falle

Der Ausschluss des UN-Kaufrechts misslingt regelmäßig. Der deutsche Unternehmer vertraut normalerweise darauf, dass ein Hinweis auf seine AGB in E-Mails oder schriftlichen Angeboten genügt. In den AGB finden sich dann eine Rechtswahlklausel (häufig mit Ausschluss des UN-Kaufrechts) und eine Gerichtsstandsvereinbarung. Das böse Erwachen folgt später, denn beides ist ungültig.

Im Geltungsbereich des UN-Kaufrechts wird die Übersendung des vollständigen Textes der AGB vor Vertragsabschluss verlangt. Passiert das nicht, sind weder die Rechtswahl noch der Ausschluss des UN-Kaufrechts wirksam. Dasselbe gilt übrigens für Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB. In diese Falle tappen noch immer zu viele Unternehmer.

6. Verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch

Inhaltlich bietet das CISG deutschen Importeuren einen garantieähnlichen Schadensersatzanspruch, denn dieser setzt weder ein Verschulden des Verkäufers noch eine Frist zur Nacherfüllung voraus. Der Verkäufer haftet für Pflichtverletzungen, darunter auch Mängel der Kaufsache und sogar entgangener Gewinn. Und das gilt kraft Gesetzes. Eine solche Haftung gilt im deutschen Recht nicht und sie ließe sich nicht einmal formularvertraglich vereinbaren.

Warum sollte der Importeur auf diesen Anspruch verzichten, der oft auch wegen der Unbekanntheit des CISG schlicht unerkannt bleibt?

7. Kein Verbrauchsgüterregress

Nach deutschem Recht muss ein Lieferant, dessen Abnehmer an Verbraucher weiterverkauft, die Regelungen zum Verbraucherschutz in großem Umfang auch im Verhältnis zum (unternehmerischen) Abnehmer gegen sich gelten lassen (§ 478 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). So soll verhindert werden, dass der Abnehmer zwar die Verbraucherschutzregelungen gegenüber seinem Käufer gegen sich gelten lassen muss, gleichzeitig aber keinen Regress beim Lieferanten nehmen kann, weil er hierbei auf die strengeren handelsrechtlichen Regelungen angewiesen ist. Eine unbefriedigende Situation für den Lieferanten, die er aber kaum ändern kann, denn diese Regelungen sind zwingend.

Anders im UN-Kaufrecht: Hier gelten die Regeln nicht. Warum also auf diesen Vorteil verzichten?

8. Rücktritt nur bei wesentlicher Vertragsverletzung

Der Rücktritt nach UN-Kaufrecht (dort in der inoffiziellen deutschen Übersetzung „Vertragsaufhebung“ genannt) ist nur bei wesentlicher Vertragsverletzung möglich. Das ist nach CISG nur der Fall, wenn die Vertragsverletzung für die andere Vertragspartei einen „solchen Nachteil zur Folge hat, dass ihr im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen“. Die Schwelle zum Rücktritt ist damit viel höher als im deutschen Recht, welches das Rücktrittsrecht nur dann ausschließt, wenn der Mangel unerheblich ist. Das UN-Kaufrecht schützt den Verkäufer, da die Kosten für eine Rückabwicklung im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr ungleich höher sind als im rein nationalen Geschäftsverkehr.

Warum auch auf diesen Schutz verzichten?

9. Dispositivität

Enthält das UN-Kaufrecht sowohl Vorteile für den Verkäufer als auch für den Käufer? An diese Frage schließt sich die Frage an, welche Vorteile für welche Seite überwiegen. Für welche Seite – Käufer oder Verkäufer – ist das UN-Kaufrecht vorteilhafter?

Diese Betrachtungsweise greift nicht und entstammt den Gedanken derer, die doch ein Argument suchen, grundsätzlich auf das (bekannte) Recht zurückzufallen. Das UN-Kaufrecht ist fast grenzenlos dispositiv. Sollte die verschuldensunabhängige Mängelhaftung deutsche Exporteure abschrecken, lassen sich hierfür ebenso vertragliche Regelungen finden wie für die begrenzte Rücktrittsmöglichkeit, die deutsche Importeure scheuen.

Es bleibt dabei: Der Hauptgrund für die Ablehnung des UN-Kaufrechts ist die Angst vor dem unbekannten Instrument. Es kann passieren, dass die richtige Wahl im Einzelfall tatsächlich die Anwendbarkeit deutschen Rechts unter Ausschluss des UN-Kaufrechts ist. Keinesfalls aber sollte diese Wahl blind erfolgen, denn richtig gespielt kann das Instrument UN-Kaufrecht zu hervorragenden Ergebnissen führen.