Betriebsratswahl 2022: Wahlempfehlungen.

 Der Arbeitgeber muss sich in seinem Betrieb nicht neutral verhalten.

Betriebsratswahl 2022: Wahlempfehlungen

Die sehr umfangreichen Mitbestimmungs- und sonstigen Beteiligungsrechte veranlassen Arbeitgeber nicht selten, sich in die Betriebsratswahl durch Empfehlungen oder Kritik an Kandidaten einzubringen. Solange er dabei die Grenze zur gesetzlich geregelten Wahlbeeinflussung nicht überschritten ist das erlaubt.

Das Betriebsverfassungsgesetz verbietet die Behinderung der Betriebsratswahl sowie deren Beeinflussung durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen. Bei Verstößen kann eine strafrechtliche Verfolgung drohen. Zudem kann die Wahl anfechtbar sein. Einstweilige Unterlassungsverfügungen sind denkbar.

Das Bundesarbeitsgericht hat jüngst klargestellt, dass den Arbeitgeber darüber hinaus keine Neutralitätspflicht trifft (Beschl. v. 25.10.2017 – 7 ABR 10/16). Er muss sich aus der Betriebsratswahl nicht gänzlich heraushalten.

Der Arbeitgeber darf die Arbeit des Wahlvorstands nicht erschweren. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Wahlvorstand die zur Durchführung der Betriebsratswahl erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen (siehe hierzu das Insight Betriebsratswahl 2022: Ausstattung des Wahlvorstands). Er muss die im Betrieb beschäftigten Mitglieder des Wahlvorstands von der Arbeitspflicht freistellen, wenn dies für die Durchführung der Betriebsratswahl erforderlich ist.

Es stellt eine Wahlbehinderung dar, wenn der Arbeitgeber die Stimmabgabe unmöglich macht oder erschwert, zum Beispiel indem er Arbeitnehmern oder dem Wahlvorstand den Zugang zum Betrieb beziehungsweise zur Stimmabgabe verwehrt. Auch Versetzungen oder Kündigungen sind untersagt, wenn so den Arbeitnehmern die Möglichkeit genommen werden soll, sich wählen zu lassen oder zu wählen. Umgekehrt besteht jedoch keine Veranlassung, von solchen Maßnahmen Abstand zu nehmen, nur weil Betriebsratswahlen anstehen. Der Arbeitgeber muss also beispielsweise Umstrukturierungen nicht verschieben oder von geplanten Kündigungen aus Gründen, die nichts mit der Betriebsratswahl zu tun haben, Abstand nehmen.

Eine Behinderung der Betriebsratswahl kann es darstellen, wenn der Arbeitgeber Wahlwerbung generell oder für einzelne Listen oder Kandidaten unterbindet oder beschränkt. Andererseits ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, Kandidaten für das Sammeln von Stützunterschriften oder für Wahlwerbung von der Arbeit freizustellen. Unzulässig wäre nur, diese Betätigungen generell zu untersagen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat es als unzulässige Beeinflussung einer Betriebsratswahl angesehen, dass der Arbeitgeber eine Gruppe von Kandidaten tatsächlich und finanziell bei der Herstellung einer Wahlzeitung unterstützt hat. Zu Unrecht haben Landesarbeitsgerichte Hessen und Hamburg es als unzulässige Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber angesehen, dass er Stützunterschriften für eine bestimmte Vorschlagsliste gesammelt hat. Diese Sichtweise ist durch die neue Rechtsprechung des BAG überholt, so dass es solches Verhalten des Arbeitgebers nicht per se eine rechtswidrige Wahlbeeinflussung darstellt. Der Arbeitgeber darf Wahlempfehlungen abgeben und Mitarbeiter ermuntern, sich zur Wahl zu stellen. Zulässig sind auch Äußerung von Unmut durch den Arbeitgeber über den derzeitigen Betriebsrat. Vorsicht ist geboten, wenn der Arbeitgeber sich über die vom bisherigen Betriebsrat verursachten Kosten oder die Zahl der vom Betriebsrat initiierten Gerichtsverfahren negativ äußert. Das kann bei der Belegschaft den Eindruck erwecken, der Betriebsrat verschaffe sich ihm nicht zustehende Vorteile oder verhalte sich anderweitig rechtswidrig. Das kann schnell die Grenze zur rechtswidrigen Behinderung der Betriebsratsarbeit überschreiten.

Praxisempfehlung:

Zu euphorisch sollte der Arbeitgeber trotz der Entscheidung des BAG aus zwei Gründen nicht sein. So mag ein Wahlvorstand gleichwohl versuchen, es dem Arbeitgeber gerichtlich zu untersagen, Einfluss auf die Wahl zu nehmen. Die Kosten des Verfahrens und für den Anwalt des Betriebsrats trägt der Arbeitgeber. Zum andern droht die Gefahr, dass die Stimmung zwischen (neuem) Betriebsrat und Arbeitgeber von Anfang an vergiftet wird. Das erschwert die spätere Zusammenarbeit und der Arbeitgeber ist sehr oft auf Zugeständnisse angewiesen, die dann eher unwahrscheinlich sind. Arbeitgebern ist zu empfehlen, sich im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen mit Äußerungen und Einflussnahmen möglichst zurückzuhalten, und sich bspw. darauf zu beschränken, in der Belegschaft geschätzte Mitarbeiter, von denen eine konstruktive Zusammenarbeit zu erwarten ist, für die Kandidatur für ein Betriebsratsamt zu ermuntern.