Arbeitsvertragsrecht.

 Vorgetäuschte Erkrankung und Konkurrenztätigkeit – Überwachung durch Detektiv (BAG, Urt. v. 29.06.2017 – 2 AZR 597/16).

Arbeitsvertragsrecht, Insight von Thomas Geißler, Rechtsanwalt der Kanzlei Buse Heberer Fromm

Welcher Arbeitgeber kennt diese Situation nicht? Ein Mitarbeiter, mit dem die Zusammenarbeit schon längere Zeit nicht mehr störungsfrei verläuft, ist häufig oder dauerhaft erkrankt und steht im Verdacht, während der Erkrankung in eigener Sache oder für einen Wettbewerber Konkurrenztätigkeit zu verrichten.

Aber es gibt nur Gerüchte und Indizien – wie beispielsweise die Information, der Arbeitnehmer oder sein Auto sei bei der Konkurrenz gesehen worden –, keine konkreten Beweise. Manch ein Arbeitgeber versucht es in solchen Situationen mit einer verdeckten Videoüberwachung oder mit der Beauftragung eines Privatdetektivs. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz kann schnell zu einem Verwertungsverbot für die gefundenen Beweise führen. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht die Messlatte für den Arbeitgeber in einer aktuellen Entscheidung ein wenig tiefer gelegt.

Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG kann eine verdeckte Überwachungsmaßnahme, die der Aufklärung einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat dient, zulässig sein. Im Umkehrschluss könnte dies bedeuten, dass eine verdeckte Überwachung ohne den Verdacht auf eine Straftat im Beschäftigungsverhältnis von vornherein zwecklos ist. So etwa in dem vom BAG jetzt entschiedenen Fall, denn nach Ablauf der sechswöchigen Lohnfortzahlungsverpflichtung kommt bei einer vorgetäuschten Erkrankung ein Betrug zu Lasten des Arbeitgebers nicht mehr in Frage. Darüber hinaus handelt es sich bei einer vertragswidrigen Wettbewerbstätigkeit nicht um eine Straftat.

Aber auch ein auf Tatsachen gestützter und ausreichend konkreter Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers, zu der sowohl das Vortäuschen einer Krankheit als auch eine vertragswidrige Wettbewerbstätigkeit des Arbeitnehmers gehören, kann – so das BAG – bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine verdeckte Überwachungsmaßnahme nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG, die nicht von Satz 2 gesperrt wird, rechtfertigen. Nach dieser Bestimmung dürfen die personenbezogenen Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Allerdings muss die Erhebung für die Entscheidung über die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses, für dessen Durchführung oder für dessen Beendigung notwendig sein. Da eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nur bei Vorliegen entsprechender Kündigungsgründe in Betracht kommt, kann eine verdeckte Überwachungsmaßnahme für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 32 Abs. I Satz 1 des BDSG erforderlich sein, wie das BAG jetzt deutlich gemacht hat.

Empfehlung für die Praxis:

Nicht jedem Gerücht über die angebliche Wettbewerbstätigkeit eines krank geschriebenen Mitarbeiters sollte Glauben geschenkt werden. Gibt es hingegen konkrete Verdachtsgründe, sollte diesen auch nachgegangen werden, um die Risiken einer Verdachtskündigung auszuschließen. Eine verdeckte Überwachung, durch die sich der Verdacht konkretisieren und eine schwere Pflichtverletzung beweisen lässt, sollte aber keinesfalls aus Sorge vor einem Verstoß gegen das BDSG ausgeschlossen werden.