Anfechtung der Betriebsratswahl.

 Einspruch gegen die Wählerliste (BAG, Beschl. v. 02.08.2017 – 7 ABR 42/15).

Anfechtung der Betriebsratswahl, Insight von Tobias Grambow, Rechtsanwalt der Kanzlei Buse Heberer Fromm

Das Verfahren der Betriebsratswahlen ist komplex. Es soll eine chancengleiche und faire Wahl gewährleisten. Der Wahlvorstand ist dazu verpflichtet, eine Liste der Wahlberechtigten (Wählerliste) zu erstellen. Ein Abdruck der Wählerliste ist vom Tag der Einleitung der Wahl bis zum Abschluss der Stimmabgabe im Betrieb auszulegen, so dass jeder Einsicht nehmen kann. Ergänzend kann die Wählerliste durch elektronische Medien bekannt gemacht werden. Von der Eintragung eines Arbeitnehmers in die Wählerliste hängt ab, ob der Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl teilnehmen kann.

Gemäß der Wahlordnung (WO) können Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste nur eingelegt werden, wenn seit Erlass des Wahlausschreibens noch keine zwei Wochen vergangen sind. Der Einspruch muss schriftlich beim Wahlvorstand eingereicht werden. Über solche Einsprüche muss der Wahlvorstand sofort entscheiden. Der Wahlvorstand soll die Wählerliste aber auch nach Ablauf der Einspruchsfrist beziehungsweise unabhängig von Einsprüchen auf Vollständigkeit prüfen.

In dem Fall, den nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden hatte, korrigierte der Wahlvorstand die veröffentlichten Wählerlisten mehrfach. Eine Korrektur der auch im Intranet veröffentlichten Wählerliste erfolgte jedoch nicht. Damit gab es unterschiedliche Wählerlisten mit unterschiedlichen Angaben zu den wahlberechtigten Arbeitnehmern. Vier Arbeitnehmer haben die Betriebsratswahl aus diesem Grund angefochten. Einen Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste hatten die Arbeitnehmer beim Wahlvorstand zuvor nicht eingelegt. Der neu gewählte Betriebsrat war deshalb der Auffassung, dass eine Anfechtung nicht mehr möglich sei. Außerdem komme es, so der neue Betriebsrat, auf die Wählerliste im Intranet nicht an.

Sichtweise des BAG

Eine Betriebsratswahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts, der Wählbarkeit oder des Wahlverfahrens verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist. Eine Anfechtung ist nicht möglich, wenn das Wahlergebnis durch den Verstoß nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Anfechtungsberechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist innerhalb von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

Auch wenn eine Anfechtung der Betriebsratswahl mit einer Fehlerhaftigkeit der Wählerliste begründet wird, ist ein vorheriger Einspruch gegen die Wählerliste keine formelle Voraussetzung für die – spätere – Anfechtung. Eine solche gravierende Rechtsfolge hätte einer gesetzlichen Regelung bedurft.

Aufgrund der Bedeutung der Wählerliste für das Wahlrecht der Arbeitnehmer handelt es sich bei der Pflicht des Wahlvorstands, die Wählerliste zutreffend zu erstellen und zu veröffentlichen, um wichtige und wesentliche Vorschriften zum Wahlverfahren. Richtig ist, dass der Wahlvorstand nicht dazu verpflichtet ist, die Wählerliste auch im Intranet zu veröffentlichen. Tut er es aber, müssen spätere Korrekturen der Wählerliste auch im Intranet vorgenommen werden. Im konkreten Fall war davon auszugehen, dass der Verstoß das Wahlergebnis beeinflusst haben könnte.

Empfehlung für die Praxis

Die Betriebsratswahlen in diesem Fall haben im März 2014 stattgefunden. Erst im August 2017 ist rechtskräftig über die Anfechtung entschieden worden. Erst nach über drei Jahren endete damit die Amtszeit des fehlerhaft gewählten Betriebsrats. Bis zur Rechtskraft einer erfolgreichen Wahlanfechtung bleibt ein Betriebsrat im Amt. Als solcher kann er zum Beispiel Betriebsvereinbarungen schließen, Schulungen besuchen und Gerichtsverfahren führen. Auch wenn ein Einspruch gegen die Wählerliste im laufenden Wahlverfahren nicht Voraussetzung für eine spätere Anfechtung ist, zeigt der Fall, dass es wichtig ist, Wahlfehler noch vor der Stimmabgabe zu korrigieren. Ein Einspruch gegen eine fehlerhafte Wählerliste macht also Sinn. Korrigiert der Wahlvorstand die Wählerliste dann nicht, kann das Arbeitsgericht per einstweiliger Verfügung dem Wahlvorstand eine Korrektur aufgeben. Ein solcher Antrag ohne vorherigen Einspruch beim Wahlvorstand wäre unbegründet. Nähere Informationen hierzu finden Sie auch hier.